Halbherzige Hilfe
Der Schutz von Flüchtlingskindern hat gravierende Mängel
Die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen ist eindeutig. Sie verlangt im Paragraf 2, dass alle Kinder gleich behandelt werden müssen. Trotzdem befinden sich geflüchtete Kinder und Jugendliche in Deutschland in einer besonderen Situation: Die meisten von ihnen müssen teilweise über Monate in provisorischen Sammelunterkünften leben, in denen sie einer Vielzahl von Gefahren ausgesetzt sind. Dabei bedürfen sie eigentlich einer besonderen Fürsorge. Bekannt ist dieses Problem schon lange. Eine UNICEF-Studie aus dem Frühjahr ergab, dass rund ein Viertel der befragten Mädchen und Jungen in ihrer Unterkunft bereits Zeuge von Gewalt geworden ist. Jedes zehnte Kind wurde demnach selbst Opfer.
Nun beschloss der Bundestag mit der Mehrheit der Großen Koalition vor wenigen Tagen ein Kinder- und Jugendstärkungsgesetz, das auch einen verbesserten Schutz von Frauen und Kindern in den Aufnahmeeinrichtungen vorsieht. Die Absicht sei ein »begrüßenswerter Anfang«, sagte Bidjan Nashat, Programmleiter der Organisation Save the Children Deutschland. Und fügt hinzu: »insgesamt aber leider unzureichend«. Denn auch nach der Änderung von Paragraf 44 im Asylrecht werde kein umfangreicher Schutz gewährleistet. Der beschlossene Zusatz besagt: »Träger von Aufnahmeeinrichtungen sollen Konzepte zum Schutz von Minderjährigen sowie von Frauen vor Gewalt in diesen Einrichtungen entwickeln und anwenden.«
Nashat hält die Regelung für unzulänglich und weist auf Mängel bei der Formulierung hin. »Sollen bedeutet juristisch nicht müssen - im Zweifel können Träger sogar ganz darum herum kommen, Schutzkonzepte zu entwickeln. Entsprechend sind auch keine Sanktionen vorgesehen, falls das nicht geschieht.«
Auch für die Ausgestaltung der Konzepte gebe es keine ausreichenden Vorgaben, bemängelt Nashat. So fehlten Standards hinsichtlich Räumlichkeiten, Personal oder Gesundheit ebenso wie eine unabhängige Beschwerde- und Monitoringstelle. »Alles in allem bleiben die Schutzanforderungen weit hinter denen zurück, die ansonsten für Einrichtungen gelten, in denen Kinder und andere schutzbedürftige Menschen leben«, lautet das Fazit von Nashat. Für Save the Children ein Zeichen dafür, dass Kinderrechte weiterhin weder ernst genommen werden noch universell gelten, wie es die Vereinten Nationen vorgeben.
Das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz eröffnet den Ländern außerdem die Möglichkeit, Rahmenverträge mit kommunalen Spitzenverbänden über die Finanzierung von Leistungen für unbegleitete minderjährige Geflüchtete abzuschließen. Damit soll die Kostenerstattung für die Jugendhilfe dieser Personengruppe geregelt werden. Sozialverbände sehen darin die Gefahr einer Zwei-Klassen-Jugendhilfe.
Das Deutsche Kinderhilfswerk befürchtet, dass jungen Flüchtlingen künftig nicht mehr nach Bedarf Maßnahmen und Leistungen gewährt werden, sondern nach Kassenlage. Schon lange vor der Abstimmung im Bundestag hatte die Diakonie vor den Folgen des Beschlusses gewarnt: »Es darf nicht zwischen Kindern und Jugendlichen unterschiedlicher Herkunft differenziert, und Leistungen dürfen nicht eingeschränkt werden«, sagte Maria Loheide vom Vorstand für Sozialpolitik. Gehört wurde dieser Appell nicht.
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