Vom Paragrafen zur Realität
Johanna Treblin über das Recht, dem Gegner zu begegnen
Während des G20-Gipfels in Hamburg ist ein 38 Quadratkilometer großer Bereich in der Innenstadt für Kundgebungen gesperrt. Ähnliches soll es künftig in Berlin nicht mehr geben. Innensenator Andreas Geisel (SPD) kündigte im Abgeordnetenhaus ein neues Versammlungsrecht an. Damit soll Protest bald in Sicht- und Hörweite derer stattfinden können, gegen die er sich richtet.
In Berlin gilt noch immer das alte Versammlungsrecht des Bundes, obwohl die Länder bereits seit 2006 eigene Gesetze erlassen können. Das alte Recht ist in weiten Teilen verfassungswidrig und trotzdem hatte sich bisher keine Regierungskoalition um eine Reform gekümmert. Bis jetzt. Künftig sollen sich nun neue Rekruten bei öffentlichen Gelöbnisfeiern der Bundeswehr, Nazis, Banker, Politiker, Abtreibungsgegner und viele andere nicht mehr vor Demonstranten abschotten können und müssen ihre Kritiker ertragen.
Doch zwischen Theorie und Praxis klafft hier noch eine weite Lücke. Auch wenn Gerichte quer durch die Republik immer wieder dieses Recht bestätigen, nachdem die Versammlungsbehörde die Routen angemeldeter Demonstrationen verändert, die Kundgebungsorte verlagert oder die Polizei kurzfristige Änderungen vorgenommen hat. Wohlgemerkt: nachdem. Da war es dann meist schon zu spät. Dass es in Berlin anders laufen soll, müssen Senat und Polizei erst noch zeigen.
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