Mehr Kommunikation statt mehr Qualifikation

Psychosoziale Regelversorgung oder Parallelstrukturen für Geflüchtete? Experten sind sich uneins

  • Jana Klein
  • Lesedauer: 3 Min.

Eingliederung in die gesundheitliche Regelversorgung oder Aufrechterhaltung und Ausbau gewachsener Parallelstrukturen? Beim Gesundheitsforum am Mittwochabend, das die Landesgesundheitskonferenz regelmäßig organisiert, prallten gegensätzliche Vorstellungen aufeinander, wie Geflüchtete psychisch betreut werden sollen. Olaf Hardt, Arzt einer psychiatrischen Abteilung eines Vivantes-Klinikums, vertrat bei der Veranstaltung in der Urania den Standpunkt, Geflüchtete müssten in die Regelversorgung integriert werden. Er betonte, dass das Versorgungsnetz gut auf die sprachlichen und kulturellen Herausforderungen vorbereitet sei, auch wenn es weiterhin Verbesserungsbedarf vor allem bei den Sprachmittlern gebe.

Ihm widersprachen Else Bittenbinder von der bundesweiten Arbeitsgemeinschaft Psychosozialer Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer sowie Friedrich Kiesinger, stellvertretender Vorsitzender des Verbands der Berliner Flüchtlingsheimbetreiber. Beide befürworteten die Bündelung der Kompetenzen parallel gewachsener Strukturen, die sich explizit auf die Bedürfnisse von Geflüchteten eingerichtet hätten. Das Angebot der zwei psychosozialen Zentren Berlins, die sich an Geflüchtete richten, gelte es auszubauen. »Wir sind im Stich gelassen worden«, sagte Kiesinger zu Beginn seiner Ausführungen. Mitarbeiter von Geflüchtetenunterkünften hätten improvisieren müssen und sich teilweise nicht an Vorgaben gehalten. Damit seien eigene Wege gefunden worden, gut ausgebildete Fachkräfte mit Geflüchteten zusammenzubringen - notfalls unter abweichender Stellenbezeichnung. Die Behauptung Hardts, das reguläre Versorgungssystem sei bereit, Geflüchtete aufzunehmen, bezeichnete er als Mythos. Das funktioniere zwar im Bereich der Krankenhäuser, im psychosozialen Bereich fehle es aber vor allem an sprachlichen Kompetenzen.

Eine Ehrenamtliche aus dem Publikum ergänzte ein Beispiel aus eigener Erfahrung: Bei der Schließung einer Unterkunft und der anschließenden Umverteilung seien plötzlich 500 Geflüchtete ohne ärztliche Versorgung gewesen. Verließen die Menschen die Turnhallen, verliere man sie oft aus den Augen. Im Regelsystem der Bezirke gingen sie dann auch wegen Ärztemangels häufig unter.

Alle Beteiligten bemängelten die bürokratischen Hürden und Probleme, mit denen sich Helfer konfrontiert sähen. Manche Psychotherapeuten arbeiteten teilweise ehrenamtlich, weil die Abrechnung der Kosten nicht funktioniere - sowohl unter den gesetzlichen Vorgaben des Asylbewerberleistungsgesetzes als auch später unter denen der Sozialhilfe. Der Antrag, um Dolmetscherkosten rückerstattet zu bekommen, koste Ärzte und Therapeuten so viel Zeit wie die Behandlung selbst.

Ulrike Kluge, Leiterin des Zentrums für Interkulturelle Psychiatrie und Psychotherapie (ZIPP) an der Charité, steuerte Einschätzungen aus der empirischen Migrationsforschung bei. Schon 2009 habe die Charité die Versorgung von Menschen mit Migrationshintergrund untersucht. Dort habe man dieselben Probleme festgestellt, die nun verschärt bei Geflüchteten aufträten. Es brauche vor allem mehr Kommunikation und stärkere Netzwerke zwischen den vielen Angeboten und Helfern, nicht primär mehr Qualifikation.

Dagmar Pohle (LINKE), Bezirksbürgermeisterin von Marzahn-Hellersdorf, benannte Ursachen für die psychische Belastung von Geflüchteten: »Stellen Sie sich vor, Sie wollen kochen, haben seit einem Jahr eine voll ausgebaute Küche vor Ort - und dürfen nicht.« Dies sei etwa die Situation, wenn das Heim noch als Notunterkunft zählt, obwohl es schon zur Gemeinschaftsunterkunft umgebaut sei.

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