Dann eben ab sofort ohne Kohle

Häfen in Brandenburg, Teil 1: Energiewende trifft den Binnenhafen in Königs Wusterhausen

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 5 Min.

Der Binnenhafen Königs Wusterhausen (Dahme-Spreewald) ist aus dem Fenster des oberen Stockwerks der Geschäftsführung gut zu überschauen. Insgesamt 65 Hektar ist das Areal groß, mehrere tausend Meter lang sind seine Kaianlagen. »Haben wir irgendwo eine Tätigkeit im Hafen«, fragt der diplomierte Ökonom Reinhard Schuster, der Geschäftsführer der »LUTRA GmbH«. Das Kürzel steht für: Lager, Umschlag und Transport. Schuster - Jahrgang 1953, weißes Hemd, grauer Vollbart - blickt fragend zu seiner Sekretärin, es geht um ein Fotomotiv für das »nd«. Gabriele Weißbrodt wiederum schaut kurz aus dem Fenster, greift dann zum Telefon: »Holzschiff?«, ruft sie in den Hörer. Und dann: »Holzschiff!«

Am Kai des südlich gelegenen Hafenteils hat vor kurzem das Binnenschiff »Veronia« festgemacht. Noch einige Meter entfernt, auf der Brücke über dem Nottekanal, die den Nord- mit dem Südhafen verbindet, duftet es nach frisch geschlagenem Holz. Unten am Kai befördern zwei blaue Bagger Holzhackschnitzel aus dem Inneren auf Lkws, die das Massengut in das nahe gelegene Biomassekraftwerk fahren. Einige Arbeiter sind gerade mit dieser Umladung beschäftigt.

Hier und da gibt es an diesem Freitagmittag im Hafen etwas zu sehen. An den rund zehn Kilometer langen Gleisanlagen des Hafengebietes werkeln einige Arbeiter in orangefarbenen Warnwesten, hier und dort rumpelt ein Bagger durch den Hafen. Eine der beiden betriebseigenen Lokomotiven stößt beim Rangieren ein Warnsignal aus, das sich anhört wie ein Schiffshorn. Zwei mobile Kranwagen sind gerade dabei, einen älteren Kran des Betriebs »Kranbau Eberswalde« zu demontieren, der gegenwärtig durch einen modernen Kran für Container ersetzt werden soll.

Gleich neben der Brücke stehen zwei ganz besondere Anlagen, mit denen der wichtige Binnenhafen in den 1980er Jahren in der DDR modernisiert wurde: Zwei Schüttanlagen für Eisenbahnwaggons, mit denen Kohle und sonstige Schüttgüter wie Getreide, Kies oder Sand verladen werden können. Bis Ende Mai wurde über diese effizienten Anlagen Braunkohle aus dem Tagebau Welzow-Süd, das hierher auf dem Landweg über die Schienen gebracht wurde, auf Leichter verladen, die anschließend auf dem Wasserweg zum Kraftwerk Klingenberg in Berlin-Lichtenberg fuhren. Der Hafen machte mit den Schüttanlagen also - im wahrsten Sinne des Wortes - »einen Haufen Kohle«. Da Vattenfall beschloss, das Kraftwerk auf Gas umzustellen, ist mit der Braunkohleverschiffung seit kurzem Schluss.

Den Hafen und seinen freundlichen Geschäftsführer, der seit 1990 im Amt ist, trifft dieses »bedeutende Ereignis«, wie es Schuster nennt, zwar nicht überraschend, aber dennoch hart. Weil Vattenfall die Umstellung von 2020 auf 2017 vorzog, ändert sich vorzeitig auch in Königs Wusterhausen einiges schneller, als es seit zehn Jahren eingeplant wurde: Mit dem Wegfall von 1,3 Millionen Tonnen Rohbraunkohle pro Jahr gehen dem Hafen nämlich auf einen Schlag 60 Prozent seiner materiellen Leistungen verloren und 30 Prozent des Umsatzes. Das bedeutet auch für Schuster, schmerzliche Entscheidungen zu fällen: »Wir haben bedauerlicherweise zwölf Leute entlassen müssen«, sagt er. Getroffen habe es vor allem diejenigen, die noch nicht so lange in der Firma waren und die jung sind. Die Kürzungen trafen das Unternehmen vor allem hart, weil mit den Jungen diejenigen gehen mussten, die quasi aus Beschäftigtensicht die Zukunft des Hafens darstellen. Und abgewanderte Facharbeiter irgendwann zurückzuholen, ist angesichts des grassierenden bundesweiten Fachkräftemangels schwierig.

Dass in einigen Medien mit Wortspielen wie »Dem Hafen geht die Kohle aus« oder sinngemäß, er gehe krachen, berichtet wurde, ärgert den Geschäftsführer unterdessen sehr. »Es gibt kein Gefahrenpotenzial«, betont Schuster. Das Ziel seines Unternehmens ist es seit längerem, aus dem Hafen einen Wirtschaftsstandort zu machen. Derzeit haben sich rund 17 Betriebe auf dem Gelände angesiedelt. Rund 17 Hektar wurden neu erschlossen. Neben dem Biomassekraftwerk, deren Energieerzeugung künftig in ein hafeneigenes Wärme- und Stromnetz eingespeist werden soll, gibt es auch ein Zementmahlwerk der »HeidelbergCement«. In naher Zukunft könnte eben dieser energieintensive Betrieb von dem hafeneigenen Stromnetz, durch das Netzentgelte eingespart werden sollen, durch den Ankauf der kostengünstigen Energie profitieren.

Die Hafenverantwortlichen in Königs Wusterhausen haben aber auch ein besonderes Augenmerk auf die Logistik von hochwertigen Gütern geworfen. »Wir sind kurz davor, ein Container-Terminal zu errichten«, sagt Schuster. Infolge der EU-Osterweiterung seit dem Jahr 2004 ist die Region zu einer bedeutenden Handelsschnittstelle zwischen West- und Osteuropa geworden. Insgesamt drei transeuropäische Korridore, für deren Erweiterung die Europäische Union viel Geld zur Verfügung stellt, laufen in der Region zusammen. Der Binnenhafen könnte also noch stärker als bisher ein Logistikkreuz werden. Dafür wäre es allerdings auch wichtig, dass perspektivisch Schleusen ausgebaut werden, damit die großen Binnenschifftypen mit 80 Meter und mehr Länge über die Wasserstraßen nach Königs Wusterhausen gelangen können. Neben der Containerverladung will die »LUTRA« auch über eine neue Möglichkeit für den horizontalen Umschlag etablieren. Dabei wird ein Sattelaufleger direkt auf Eisenbahnwaggons umgeladen - was die Straßen entlastet.

Veränderungen hat der Hafen mit seiner hunderte Jahre alten Geschichte viele erlebt. Wie stolz man auf die eigene Geschichte ist, zeigt sich im Konferenzraum des Hafenbetreibers: Dort hängt ein großes Bild aus der Kunstrichtung sozialistischer Realismus, das Arbeiter zeigt. Die Künstlerin ist mit 104 Jahren Anfang 2017 verstorben. »Die Menschen haben hier wirklich körperlich hart gearbeitet«, sagt Schuster. Höchstens Besucher aus den neuen Bundesländern stoßen sich manchmal an dem Bild und fragen: »Ist das einer von gestern?« In Königs Wusterhausen ist man auf seine Vergangenheit und die Arbeiter stolz. Dass es in Zukunft mal keine Arbeit und keine Arbeiter an dieser Stelle geben könnte, glaubt hier niemand.

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