Verliebte Frauen und Männer, die die Welt erklären
Studie zum Anteil von Männern und Frauen in Film und Fernsehen zeigt: Zwei Drittel der Hauptakteure sind Männer
Frauen sind im deutschen Film und Fernsehen deutlich unterrepräsentiert. 67 Prozent der Hauptakteure in den Sendungen, die handeln und die Handlung vorantreiben, sind demnach Männer. Wenn Frauen gezeigt werden, dann kommen sie häufiger im Kontext von Beziehung und Partnerschaft vor, sagt die Rostocker Medienforscherin Elizabeth Prommer.
Als besonders problematisch schätzt sie das Kinderfernsehen ein, wo das Ungleichgewicht noch größer sei und Männer die »Möglichkeitsräume« besetzen, die Erzählungen für Kinder bieten: Auf eine weibliche Figur kommen drei männliche. Imaginäre Figuren sind fast ausschließlich durch Jungen und Männer besetzt. Auf eine weibliche Tierfigur etwa kommen neun männliche. So verfestigen sich aufgrund der »enormen Wirkungsmacht« von Film und Fernsehen Geschlechter-Stereotypen, sagen die Medienwissenschaftler der Universität Rostock.
Doch es gibt eine Ausnahme: In Telenovelas und Soaps herrscht weitgehende Geschlechtergleichheit. 52 Prozent derer, die in Soaps wie »Sturm der Liebe« sprechen und zentral sichtbar sind, sind Frauen, 48 Prozent sind Männer.
Die repräsentative Studie ist die bislang umfassendste Untersuchung dieser Art in Deutschland. Für die Analyse sind 2016 mehr als 3.000 Stunden TV-Programm und über 800 deutschsprachige Kinofilme der vergangenen sechs Jahre in einer standardistierten Inhaltsanalyse ausgewertet worden. Untersucht wurden alle Formate wie Filme, Kinderfernsehen und Unterhaltung sowie Informationsprogramme wie Nachrichten und Talk-Shows. Die Stiftung wurde von der Malisa-Stiftung der Schauspielerin Maria Furtwängler initiiert und von ARD, ZDF, RTL und ProSiebenSat.1 gefördert.
Männer erklären die Welt, junge Frauen sind dabei
Die Medienwissenschaftler aus Rostock haben auch eine deutliche Alterslücke festgestellt: Film und Fernsehsendungen hierzulande zeigen vor allem junge Frauen. Ab Mitte 30 kommt demzufolge auf eine Frau zwei Männer, ab 50 Jahren sogar drei Männer, sowohl im Fernsehprogramm, als auch in Kinofilmen.
Auch bei den Moderatoren, Sprechern, Experten und anderen Akteuren auf den Bildschirmen dominieren Männer. Vor allem bei Erzählern, die durch eine Sendung führen, aber auch bei Nachrichtensprechern dominieren Männer (96 bzw. 72 Prozent). Auch Experten, die in den Abendnachrichten oder etwa in Dokumentationen sprechen sind überwiegend männlich (79 bzw. 69 Prozent). 80 Prozent derer, die populärwissenschaftliche Sendungen anmoderieren oder Experten interviewen sind Männer, bei den TV-Moderatoren hingegen gibt es eine weitgehende Geschlechtergleichheit (53 Prozent Männer, 47 Prozent Frauen).
Angestoßen hatte die Studie die Schauspielerin Maria Furtwängler: »Es ist wichtig zu verstehen, welches Geschlechterbild mit der enormen Wirkungsmacht des Fernsehens und Kinos transportiert wird«, so die Tatort-Schauspielerin. Furtwängler verweist darauf, dass man bislang fehlende Diversität nur gefühlt habe, »jetzt haben wir Fakten«.
Diskussion um Frauenquote in Film und Fernsehen
Den ZDF-Intendanten Thomas Bellut zeigte sich am Mittwoch bei der Vorstellung der Studie »überrascht und geschockt«. Der Zustand sei unbefriedigend. Die Geschlechtergerechtigkeit »ist eine Selbstverpflichtung, die wir uns auferlegt haben«, sagte Bellut der Nachrichtenagentur dpa.
Eine Frauenquote nannte die ARD-Vorsitzende Karola Wille bei der Präsentation der Ergebnisse ein »allerletztes Mittel«, sie sei »eine Krücke« für mehr Geschlechtergerechtigkeit. Ähnlich äußerte sich auch die Geschäftsführerin der Film- und Medienstiftung Nordrhein-Westfalen, Petra Müller: »Alle schrecken im Moment vor einer Quote zurück.«
Laut Müller ändert sich das Bewusstsein über Ungleichheit im Fernsehen langsam. Gerade in der Kinobranche, sei mittlerweile fast die Hälfte aller Regie-Absolventen weiblich, trotzdem kämen im Beruf nur sehr wenige Regisseurinnen an. Die Geschäftsführerin der Filmstiftung meint das die Forderung nach einer Frauenquote wieder laut werden wird, wenn sich in den nächsten zwei Jahren nichts ändert. mit Agenturen
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