Ein »Huh« auf die Frauen
Frankreich und Island mögen ihre Fußballerinnen sehr, im EM-Duell siegten »Les Bleues«
»Huh!« Da war sie wieder - diese mitreißende Leidenschaft der isländischen Anhänger. Der Schlachtruf, der im vergangenen Sommer die Fußballfans während der EM der Männer europaweit entzückt hatte, erfüllte am Dienstagabend das Tilburger Stadion König Wilhelm II. Auch zur Europameisterschaft der Frauen sind sie wieder in Massen gekommen. Der Amsterdamer Flughafen Schiphol meldete insgesamt 10 000 Ankömmlinge von der Vulkaninsel. Geschätzte 2000 sahen nun das erste Spiel ihrer Fußballerinnen in der Gruppe C gegen Frankreich. Die 0:1-Niederlage trübte ihre gute Laune nur unwesentlich.
Das »Allez les bleues« war nur dann im Stadion zu hören, wenn sich die isländischen Fans mal eine kurze Pause gönnten. Immerhin: Rund 1000 Anhänger hielten an diesem Abend zur Equipe Tricolore. Auch dieser Enthusiasmus begeistert Claire Lavogez. »In Frankreich gibt es viele Menschen, die Frauenfußball mögen«, war sich die französische Mittelfeldspielerin schon vor dem Turnier der großen Unterstützung aus der Heimat sicher.
Eine Überraschung hingegen waren die Isländer bei der EM 2016 - die Fußballer und ihre Fans. Sollten die Zahlen aus Schiphol stimmen, könnte dieser Sommer noch erstaunlicher werden. Freyr Alexandersson ist davon überzeugt. »Am Sonnabend gegen die Schweiz werden noch mehr kommen. Und zum letzten Gruppenspiel gegen Österreich noch mal mehr«, sagte der Trainer der isländischen Fußballerinnen. Den Grund dafür, lieferte er auch gleich mit: »Egal ob Frauen oder Männer, egal ob schwarz oder weiß - wir Isländer sind eine Einheit.«
Gelebte, wünschenswerte Normalität: Mit ihrem Baby auf dem Arm erzählte Islands Stürmerin Harpa Thorsteinsdottir nach dem Spiel von dem großen Kampf, den sie und ihre Mitspielerinnen dem Favoriten aus Frankreich geliefert hatten. Sie beklagte den Elfmeterpfiff, der in der 86. Minute schließlich die Entscheidung durch den verwandelten Strafstoß von Eugénie Le Sommer brachte. Klar, sie waren unterlegen: Die Französinnen schossen 20 Mal aufs isländische Tor und ließen den Ball meist ansehnlich laufen. Die Isländerinnen liefen mehr, als dass sie das Spielgerät hatten und kamen nur vier Mal zum Torabschluss. Einen Elfmeter hätten aber auch sie verdient gehabt. Das Foulspiel an Fanndis Fridriksdottir in der Nachspielzeit der ersten Halbzeit blieb aber ungeahndet.
»Wenn ich spiele oder trainiere, kümmert sich der Papa um unser Baby«, erzählte Thorsteinsdottir. Während des gesamten Turniers ist die Familie zusammen in den Niederlanden. Im April 2011 hatte die heute 31-Jährige ihren ersten Sohn geboren, drei Monate später spielte sie schon wieder Fußball.
Sportlich waren die isländischen Auswahlfußballerinnen ihren männlichen Kollegen lange Zeit voraus. Die Männer konnten sich erst im vergangenen Jahr für das erste große Turnier überhaupt qualifizieren - sorgten dann aber mit dem Viertelfinaleinzug gleich für Furore. Für die Frauen ist es bereits die dritte EM-Endrunde, und schon vor vier Jahren schafften sie es ins Viertelfinale.
Verglichen mit ihren Gegnerinnen vom Dienstagabend ist das aber immer noch eine kurze Geschichte. Am 7. April 1919 wurde der französische Fußballverband gegründet. Schon knapp ein Jahr zuvor hatten die Fußballerinnen ihre erste offizielle Partie gespielt. Der erste Verein entstand schon 1912: Femina Paris. Schnell folgten weitere in Marseille, Toulouse und Reims. Die erste Frauenmeisterschaft wurde dann 1919 bei der Verbandsgründung ausgetragen. 50 Jahre später traten die Französinnen zusammen mit Dänemark, England und Italien bei der ersten inoffiziellen Europameisterschaft an.
Akzeptiert waren die Fußballerinnen in Frankreich von Beginn an. Im Laufe der Zeit wurden sie immer beliebter - auch durch ihre Erfolge. In den vergangenen acht Jahren gab es in der Champions League nur ein Finale ohne einen französischen Klub. In dieser Zeit gewann Olympique Lyon vier Mal den Titel - auch in dieser Saison, gegen Paris St. Germain. 14 Spielerinnen dieses Endspiels sind Teil des französischen Teams bei der EM. Sie haben Großes vor. Denn das Nationalteam konnte bislang noch keinen Titel bejubeln. Verkrampfen wollen sie bei ihrem Vorhaben nicht. Claire Lavogez lacht, als sie sagt: »Klar, wir werden gewinnen.«
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