Ein Kämpfer auf und abseits der Planche
Europameister und DOSB-Athletensprecher: Säbelfechter Max Hartung ist die größte deutsche Medaillenhoffnung bei der Heim-WM in Leipzig
Leipzig. Einem Gefecht geht Max Hartung nicht aus dem Weg. Weder als Säbelfechter auf der Planche, noch als DOSB-Athletensprecher auf dem sportpolitischen Parkett. Mit Erfolg: Vor wenigen Wochen gewann er in Tbilissi erstmals den Europameistertitel - dazu erreichte er mit der Athletenvertretung tiefgreifende Änderungen in der Sportförderung der Bundeswehr.
Auch wenn ihm die Frage danach unangenehm ist: Der 27-Jährige ist auf dem besten Weg, das neue Gesicht des deutschen Fechtens zu werden. »Ob ich jetzt für alle das neue Vorbild bin, möchte ich nicht sagen«, weicht Hartung aus. Am Freitag kämpft der Dormagener bei der Heim-WM in Leipzig als wohl größte deutsche Medaillenhoffnung um den Titel.
Team-Weltmeister 2014, zweimal WM-Bronze 2015 - dazu in diesem Jahr EM-Gold: Inzwischen ist er der konstanteste Medaillensammler im deutschen Team geworden. Das Ziel bei der Heim-WM: »Ich habe in dieser Saison schon einen Weltcup gewonnen, danach dann die EM: Natürlich will ich auch in Leipzig gewinnen.«
Dass Hartung überhaupt mit den besten der Welt konkurrieren kann, ist dabei keine Selbstverständlichkeit. Seine Gegner sind Vollprofis, Hartung jongliert dagegen mit seiner Zeit: Sein Job als Athletensprecher und der Sport füllen schon jetzt den Tag aus. »Viel Luft bleibt da nicht. Ich spiele mit meiner Zeit Tetris«, sagt er. Bisher klappte das gut - außer bei Olympia. Dort verpasste er eine Medaille und kam auf Platz zehn. »Ich glaube, dass ich mich da übernommen habe. Ich habe im Prinzip Vollzeit studiert, war vor Olympia wegen des McLaren-Reports zum russischen Dopingskandal stark in der Athletenkommission beschäftigt«, sagt er: »Und habe zusätzlich im Training geackert wie ein Bekloppter. Da habe ich mir zu viel zugemutet, da wäre weniger mehr gewesen.«
Die nächste Chance ist dann Tokio 2020. Das Problem: Nach der WM weiß er derzeit noch nicht, wie er sich finanzieren soll. »Ich habe etwas Geld zurückgelegt. Ich werde nicht Reis mit Ketchup essen müssen, aber um mein Leben und den Sport zu finanzieren, muss ich auf Rücklagen zurückgreifen«, sagt er. Vor der WM absolvierte der Sportsoldat eine Wehrübung, um sich für die konkrete Vorbereitung finanziell abzusichern. Diese war ihm nach einem kritischen Interview über die Sportförderung der Bundeswehr als Retourkutsche zunächst aber nicht bewilligt worden. Inzwischen sind die Probleme allerdings nicht nur ausgeräumt, die Bundeswehr nahm die Vorschläge auf und verbesserte ihre Förderung. »Bemerkenswert«, wie er selbst betont.
Doch noch immer sind die Rahmenbedingungen im internationalen Vergleich nur zweitklassig. Beispiele: In Russland soll ein Weltmeister eine Million Euro Prämie bekommen, ein Top-Fechter in Südkorea verdient im Jahr bis zu 250 000 Euro. Auch in Italien und Frankreich sieht die Situation deutlich besser aus als in Deutschland, wo selbst ein Sptzenfechter wie Hartung teilweise draufzahlen muss.
»Ich bin mit einem italienischen Säbelfechter gut befreundet. Der konnte das überhaupt nicht glauben. Der wusste gar nicht, was er dazu sagen sollte«, erinnert er sich. Wegen dieser »Standortnachteile« sei die Erwartungshaltung an die deutschen Fechter für Hartung auch unverständlich. »Wo soll das denn herkommen?«, fragt er.
Gestern wurde bekannt, dass das Fechtzentrum Tauberbischofsheim nach 31 Jahren seinen Status als Olympiastützpunkt verliert. Als Grund nannte der Landessportverband Baden-Württemberg (LSV) unter anderem, dass in dem traditionsreichen Zentrum weniger als 100 Kaderathleten betreut werden, zudem ist dort nur eine Sportart beheimatet. Zukünftig wird Tauberbischofsheim als Bundesstützpunkt eingestuft. Der Ort war 1986 zum Olympiastützpunkt ernannt worden und hatte sich zur deutschen Medaillenschmiede entwickelt. Seit 2005 aber gab es bei WM oder Olympia gerade einmal zwei Einzelmedaillen für Tauberbischofsheimer.
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