Ein Team sonnt sich in den Erfolgen
Der Rennstall Sunweb ist mit vier Etappensiegen und zwei Wertungstrikots die Überraschung dieser Tour
Die Freude ist groß, der Schreck aber auch. Vier Etappen, das Grüne und das Gepunktete Trikot holte das Team Sunweb bei dieser Tour. Das war mehr als erwartet, mehr als erhofft. »Das hier muss für drei Mal Tour de France reichen«, strahlt Teamchef Iwan Spekenbrink am Bus in Embrun, zu Beginn der 19. Etappe.
Spekenbrink weiß das Erreichte gut einzuordnen. »Wir wollten hier den Etappensieg mit Michael Matthews. Und wir wollten um Grün kämpfen«, erzählt er. Ein Etappensieg mit Warren Barguil wäre noch »die Kirsche auf der Torte« gewesen. Barguil war bei der Tour de Romandie gestürzt, hatte Trainingsausfall, und hatte sich bei Tourstart in Düsseldorf ganz bescheiden gegeben: »Mein größter Sieg ist schon, dass ich hier überhaupt dabeisein darf.«
Nun ist der Bretone nicht nur dabei. Er ist ein Star. Zwei Bergetappen holte er sich, eine am Nationalfeiertag, die andere auf dem Gipfel des Izoard. Ikonische Etappen. Hinzu kommt das Bergtrikot. »Das hat sich recht früh so ergeben, dass Warren da eine Chance hat«, meint trocken sein Berliner Teamkollege Simon Geschke.
So geplant war das nicht: Geschke hatte vorgehabt, seinen Kapitänen Barguil und Matthews bei Etappensiegen zu helfen und Matthews bei den Zwischensprints für Grün auch schön über die Berge zu helfen. Daraus wurde schnell eine Doppelbelastung. Erster Teil der Etappe für den Australier Matthews, danach alle Beinkraft für Barguil. Als Diener zweier Herren geriet Geschke aber nicht in Loyalitätskonflikte. Denn auch die beiden Chefs kooperierten. »Es ist phänomenal, wie ein Siegertyp wie Warren mir beim Etappensieg in Rodez half, sich im Trikot des Bergkönigs für mich einsetzte«, lobte Matthews. Und steuerte selbst ein seinen Teil dazu bei, dass es so gut funktionierte bei Sunweb in diesem Jahr: »Ich habe in den Ausreißergruppen ja auch immer darauf geachtet, Warrens Kontrahenten für das Bergtrikot die Punkte wegzunehmen.«
So geht Teamwork. Teamwork, das zu Einzelerfolgen führt. Die dann im Team gefeiert werden. »Es war einfach schön, wie wir beim Giro-Sieg von Tom Dumoulin als Mannschaft alle auf das Podium gekommen sind«, erinnert sich Geschke an die bisher schönste Stunde seiner Rennfahrerkarriere. Vom Spezialisten für Ausreißergruppen mit mit eigenen Erfolgen - etwa einem Etappensieg bei der Tour - ist er zu einem glücklichen Helfer mutiert. »Es macht Spaß, seinen Beitrag für etwas Größerem zu leisten«, sagt er.
Sunweb hat den Teamgedanken zur Philosophie erkoren. »Für uns zählen nicht die Stars, für uns zählt, wie sich die Mannschaft entwickelt«, sagt Spekenbrink. Er strebt dabei nach Superlativen der besonderen Art. »Wir wollen nicht die beste Mannschaft sein. Denn was machst du, wenn du das einmal erreicht hast? Den Laden dicht machen? Nein, wir wollen das Bestmögliche aus uns als Mannschaft herausholen. Wozu das reicht, wird man in den Rennen sehen.«
Bei der Tour führte diese Philosophie zumindest schon zum »höchstdekorierten« Zimmer aller Tourhotels. Denn Matthews, der Träger des Grünen Trikots, und Bergkönig Barguil teilen sich ein Zimmer. »Warren hat mit dem Trikot ja schon Erfahrung. Als ich mein erstes ins Zimmer trug, haben wir gleich ein paar Fotos gegenseitig gemacht«, erzählt Matthews lachend. Er hat die erste Nacht auch im Grünen Trikot geschlafen. Barguil ist damit schon durch. Er hat sich weitere Ziele gesetzt: die Top Ten im Klassement. Dafür ist das Teamwork der Mechaniker gefragt, damit sie ihm für das Zeitfahren ein möglichst schnelles Rad zusammenbauen.
Teamchef Spekenbrink ist das alles sogar ein bisschen unheimlich. Wenn er sagt: »Diese Erfolge reichen für drei Frankreichrundfahrten«, heißt das auch, dass er weiß, dass sich so ein Erfolg nicht automatisch wiederholt. Sunweb genießt die Sonne, jetzt, da sie mit voller Kraft scheint.
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