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Unsozialer Wohnungsbau

Verein betroffener Bauherren wirft der Investitionsbank unseriöse Geschäftspraktiken vor

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

Kriminelle Machenschaften in der Investitionsbank des Landes Brandenburg (ILB). Ein geheim gehaltener, vermutlich US-amerikanischer Finanzinvestor, der mit Hilfe der ILB einen Reibach macht, wo doch eigentlich Bedürftige ein bezahlbares Dach über dem Kopf bekommen sollen. Ein Schaden von fünf Milliarden Euro. Rund 60 000 Quartiere, die seit 1992 als Sozialwohnungen gebaut wurden, die aber nicht mehr für eine günstige Miete zur Verfügung stehen.

Es hört sich nach einem gewaltigen Skandal an, was Andreas Hahm zu berichten hat. Sein eigens gegründeter Verein »Sozialer Wohnungsbau in Brandenburg« (SWiB) ist seit anderthalb Jahren an der Sache dran. Hahm und seine Mitstreiter haben eigenen Angaben zufolge aus statistischen Informationen, Drucksachen, Geschäftsberichten und Antworten auf parlamentarische Anfragen zusammengepuzzelt, was in den Jahren 1992 bis 2006 gelaufen sei und in modifizierter Form bis heute gemacht werde.

Hahm ist Vereinsvorsitzender. Der frühpensionierte Polizeibeamte betätigt sich in Cottbus als Büroleiter der Schuldnerberatung »Insolventia« und ist dabei vor zwei Jahren auf die Angelegenheit gestoßen. Bauherren seien durch die Förderpraxis der ILB in die Schuldenfalle geraten und sollen verzweifelt um Hilfe gebeten haben, sagt er. »Diese Bauherren wollten Fördermittel, bekamen aber stattdessen einen miserablen Kredit angedreht«, erläutert Hahm. »Mit einem normalen Privatkredit von ihrer Sparkasse wären sie besser dran gewesen.« Wie das? Die ILB habe damals die Fördersumme nicht selbst aufgebracht, sondern die vom Bund erhaltenen Zuschüsse für den sozialen Wohnungsbau dazu verwendet, die Zinsen eines am Kapitalmarkt besorgten Kredits für einen befristeten Zeitraum zu bezahlen und einen Zuschuss zu den Tilgungsraten zu leisten. So sei es möglich gewesen, mit der Summe X viel mehr anzuschieben als mit der sonst üblichen Fördermittelvergabe.

Einfach nur eine pfiffige Idee? Leider nein, argumentiert Hahm, der die Einbeziehung von Finanzinvestoren in die soziale Wohnungsbauförderung für gesetzeswidrig hält. Er spricht von einem Missbrauch öffentlicher Mittel. Der aufgeschwatzte, sogenannte ILB-Ergänzungskredit habe dazu geführt, dass die Bauherren später 47 Prozent ihrer Miteinnahmen abführen mussten. Die Mieten konnten sie aber nicht erhöhen. Die waren bei 3,71 Euro pro Quadratmeter gedeckelt. Die Folge: Bauherren seien reihenweise Pleite gegangen. Jedes der 25 Amtsgerichte in Brandenburg sei laufend mit der Zwangsversteigerung von Objekten des sozialen Wohnungsbaus befasst, behauptet Hahm. 16 100 Objekte seien von der ILB gefördert worden. Ein Objekt könne ein Haus mit nur zwei Wohnungen oder auch ein großer Wohnblock gewesen sein. Die Hälfte der Objekte bestehe heute nicht mehr aus Sozialwohnungen, denn nach Pleite und Verkauf falle die Mietpreisbindung weg, erzählt Hahm.

Bei der ILB kennt man die Vorwürfe. Das für den sozialen Wohnungsbau verantwortliche Infrastrukturministerium war bereits damit befasst, und auch im Finanzministerium hat man davon Kenntnis. Es hat schon etliche Gespräche mit Hahm gegeben. Die Gegenseite reagiert auf die schweren Vorhaltungen gelassen. Man habe sich eingehend mit der Angelegenheit beschäftigt. Es sei nichts dran.

Die Regierung zweifelt die von Hahms Verein vorgelegten Zahlen an. Gewiss, es habe einige Ausfälle gegeben, doch längst nicht in dem behaupteten Ausmaß, heißt es. Die Gründe dafür seien vielfältig. Mal sei die Preisentwicklung am Wohnungsmarkt in bestimmten Regionen zu optimistisch eingeschätzt worden, mal falsch kalkuliert worden. Im Einzelfall seien die Baukosten unvorhergesehen explodiert. Auch habe es zuweilen persönliche Schwierigkeiten gegeben, wenn etwa ein Bauherr arbeitslos wurde oder die Frau sich scheiden ließ.

»Die durch den Verein vorgelegten Unterlagen sind nicht geeignet, auch nur ansatzweise den behaupteten Zusammenhang zwischen der Inanspruchnahme der Förderung und einem ursächlich dadurch bedingten, späteren Scheitern der Bauherren zu belegen«, erklärt ILB-Sprecher Matthias Haensch. Der SWiB sei bestrebt, aus der Verallgemeinerung weniger individueller Erfahrungen der Vereinsmitglieder Rückschlüsse auf die Förderung im Ganzen zu ziehen. So gehe das aber nicht. Die vom SWiB genannten Ausfallquoten und Schadensvolumina seien »nicht nachvollziehbar und unzutreffend«.

Steffen Streu, Sprecher des Infrastrukturministeriums, sagt: »Der öffentlich geförderte, soziale Wohnungsbau im Land Brandenburg hat sich als ein erfolgreiches Instrument zur Wohnraumschaffung und Wohnraumversorgung insbesondere einkommensschwacher Haushalte bewährt.« Bis Ende 2016 seien mehr als 153 000 Sozialwohnungen geschaffen worden. Gefördert worden sei der Sozialwohnungsbau grundsätzlich nur, wenn die Städte und Gemeinden einen Bedarf sahen. »Die gesetzlichen Grundlagen sowie die konkreten Förderbedingungen waren den Investoren bei Antragstellung bekannt.« Die allgemeinen Risiken eines Investors seien bewusst in Kauf genommen worden.

Wenn derart abgewiegelt wird, dann reagiert Andreas Hahm gereizt. Schließlich hätten ohne die Abzocke wahrscheinlich niedrigere Sozialmieten festgesetzt werden können, schimpft er. Wenn seine Zahlen nicht stimmen sollten, was Hahm nicht glauben mag, so solle doch die andere Seite einmal Zahlen auf den Tisch legen, und nicht ewig unter Hinweis auf Geschäftsgeheimnisse mauern. Erbittert zeigt sich Hahm, dass eine rot-rote Landesregierung so mit ihm umgehe, die Wahrheit nicht wissen wolle. Dabei sei er doch Mitglied der Linkspartei - »noch«, betont er.

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