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Partyzeit für Österreichs Fußballerinnen

Der Turnierneuling überrascht bei der EM die Favoriten und braucht nur noch einen Punkt zum Viertelfinaleinzug

  • Frank Hellmann, Utrecht
  • Lesedauer: 3 Min.

Wo bitte kommt bloß immer das bunte Licht her, das in Windeseile den Mannschaftsbus mit der rot-weiß-roten Flagge in eine wummernde Diskothek verwandelt? Das Geheimnis ist schnell gelüftet. Ersatzspielerin Jasmin Eder hat die mobile Anlage, die aus Musikbox und Lichtspiel besteht, einfach aus ihrem Heimatverein SKN St. Pölten mit in die Niederlande transportiert. Zwei Mal sind die Partymädels aus Österreich bisher bei dieser Europameisterschaft angetreten - und zwei Mal haben sie hernach gejubelt, als gehöre der Titel ihnen. Dem 1:0 gegen Geheimfavorit Schweiz folgte am Sonnabend das 1:1 gegen den Topfavoriten Frankreich.

»Super Ergebnisse, coole Gefühle - das kann uns keiner mehr nehmen«, schwärmte Virginia Kirchberger vom MSV Duisburg. Und Nicole Billa von der TSG Hoffenheim begründete als »Spielerin des Spiels« die bereits auf dem Rasen beginnenden Feierlichkeiten: »Wir als kleine Mannschaft können ein 1:1 gegen ein so großes Team wie einen Sieg ansehen.« Der Neuling überzeugte im Stadion Galgenwaard von Utrecht nach dem Führungstor von Lisa Makas (27.) mit viel Lust und Leidenschaft, aber auch mit klarem Plan und Kalkül. Nun reicht ihnen im letzten Gruppenspiel am Mittwoch gegen Island ein Remis sicher zum Weiterkommen.

Ein netter Nebeneffekt: Die Fußballerinnen sind in der Popularität in der Heimat schneller geklettert als bisher jeder Bergsteiger auf den Großglockner. Und immerhin übertrug der ORF eins zum zweiten Mal die ÖFB-Frauen live. Also wenn von 8,7 Millionen Einwohnern fast eine halbe Million zuschaut, ist das beachtlich und bringt den Protagonistinnen Zuspruch ungeahnten Ausmaßes. »Mein Handy explodiert«, berichtete Nadine Prohaska, nicht verwandt mit Herbert Prohaska, dem »Schneckerl«, der über die Männermannschaft so oft als TV-Experte hergezogen ist.

Nun kommen David Alaba, Zlatko Junuzovic und Co. wegen Nadine Prohaska nicht ungeschoren davon: Satiriker in den sozialen Netzwerken schütten sich darüber aus, dass die Frauen nach zwei EM-Spielen ihrer jungen Historie bereits doppelt so viele Punkte haben wie die Männer nach sechs. Doch den Vergleich der Geschlechter mag niemand. »Das ist unser Turnier«, betont Nina Burger vom SC Sand. Hinter der Erfolgsstory steht Dominik Thalhammer. Ein tiefsinniger Vertreter, der von Willi Ruttensteiner, dem Technischen Direktor des Verbands, einst überredet werden musste, das Nationale Zentrum für Frauenfußball in St. Pölten zu leiten. Als 2011 überraschend Nationalcoach Ernst Weber verstarb, rückte Thalhammer auf. Und dann leitete der inzwischen 46-Jährige eine nachhaltige Aufwärtsentwicklung ein. Eine seiner ersten Amtshandlungen: die Einstellung einer Sportpsychologin.

Mirjam Wolf ist immer noch ganz eng beim Team. Daher wirkt es kaum überraschend, dass nicht die fußballerische Qualität, sondern die mentale Stärke die hervorstechendste Eigenschaft dieses Ensembles ist. Beispielsweise zu beobachten bei Torhüterin Manuela Zinsberger, die ungeachtet ihres Fehlers beim 1:1 von Amandine Henry (52.) am Sonnabend zum großen Rückhalt aufstieg. »Wir haben einen echt krassen Zusammenhalt«, erzählte die 21-Jährige, die abseits des Platzes mit ihrer markanten Brille wie verwandelt wirkt. Nur nicht minder selbstbewusst, obwohl sie beim FC Bayern die meiste Zeit nur die Ersatzbank drückt.

14 von 23 Spielerinnen sind derzeit bei deutschen Vereinen aktiv. Der ausgeglichene Wettbewerb in der Frauen-Bundesliga hat beim Qualitätssprung geholfen - das verhehlt niemand.

Nur einer wollte in die Jubelchöre nicht einstimmen. »Wir haben eine andere Auffassung von Fußball als Österreich. Wir stellen uns nicht nur hinten rein«, moserte der französische Nationaltrainer Olivier Echouafni, der »tief frustriert« war. Die Replik des Kollegen ließ nicht lange auf sich warten. »Wir haben nun mal nicht so viele Weltklassespielerinnen wie Frankreich«, entgegnete Thalhammer ruhig, aber bestimmt. »Daher spielen wir so, dass wir größtmöglichen Erfolg haben.« Und dann geht die Party ab.

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