Mit dem Plattenbau in die Zukunft

Industrialisiertes Bauen könnte gegen den grassierenden Wohnungsmangel helfen

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

Vor 40 Jahren wurde mit dem Aufbau von Marzahn begonnen, einige Jahre später folgte die Großsiedlung Hohenschönhausen. Bald sollen in der Hauptstadt wieder Siedlungen gebaut werden. Wenn alles klappt, könnten auf dem »Blankenburger Süden« genannten Gelände bereits 2019 die Bagger anrollen. Bis zu 6000 Wohnungen sollen dort entstehen. Doch nicht nur die Großsiedlungen sollen eine Renaissance erleben, sondern auch der Plattenbau selbst.

60 000 Wohnungen sollen die sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften bis 2026 neu bauen. »Hohe Preise für Grundstücke und den Bau, dazu noch strikte Vorgaben des Senats für die Miethöhe - wir müssen kreativ sein«, sagt Jörg Franzen, Chef der städtischen GESOBAU.

Kreativ und Platte? Für viele passt das nicht zusammen. »Wir versuchen von vornherein trotz Typisierung Diversität herzustellen«, sagt Ingo Malter, Chef der Stadt und Land. Denn die Platte 2.0 heißt Typenbau. Ein Haustyp, zum Beispiel ein Punkthochhaus oder auch eines, das für die klassische Blockrandbebauung geeignet ist, wird zunächst in einer Grundkonfiguration entworfen. Dabei sind viele Elemente, auch die Wohnungsgrundrisse, verschieden kombinierbar.

»Vor allem das Innenleben wiederholt sich. Zum Beispiel die Bäder«, erklärt Gewobag-Chefin Snezana Michaelis. Es gebe ein Grundraster sowie die wiederholte Verwendung einer beschränkte Zahl an Bauteilen. »Früher wurde in Plattenbauten ein Fenstertyp tausende Male verbaut. Diese Monotonie schreckt ab«, so Michaelis weiter. »Wir wollen das zum Beispiel durch verschiedene Brüstungsbauteile verhindern.«

Fünf verschiedene Haustypen haben die Unternehmen entwickeln lassen. Konkret ist schon ein Projekt der Stadt und Land. In Hellersdorf sollen 120 Wohnungen nach einem Entwurf von Mars Architekten in Fünf- und Sechsgeschossern entstehen (»nd« berichtete). Gebaut werden die Häuser Stein auf Stein und nicht mit Platten. Das Ausschreibungsverfahren für den Bau soll im August abgeschlossen sein. Beim Wohnungsunternehmen ist man zuversichtlich, dass schon dieser erste Bau recht preiswert errichtet werden kann.

Der echten Platte mit mehr Variabilität als früher ist man bei den Landeseigenen nicht abgeneigt. »Aber Betonfertigteilhersteller haben ihre Produktion nach dem Hoch in den 70er und 80er Jahren inzwischen deutlich reduziert oder ganz eingestellt«, sagt HOWOGE-Chefin Stefanie Frensch. Es werde dauern bis sich der in Industrie und Gewerbe nach wie vor verbreitete Fertigteilbau auch wieder auf den Wohnbau anwenden lasse. Ein kleiner Testlauf dafür sind die Modularen Unterkünfte für Flüchtlinge (MUF), von denen inzwischen einige fertiggestellt sind. »Serielles Bauen ist heute aber noch kein Schlüssel für Kosteneffizienz«, bremst Frensch die Euphorie.

Innovativ ist der Entwurf für ein Punkthochhaus des Architekturbüros Kleihues & Kleihues, eine Konstruktion in Holz- und Betonbauweise. Zunächst wird der massive Erschließungskern in Stahlbetonbauweise errichtet, es folgen vormontierte Stützen-, Decken- und Außenwandelemente. Die Bauzeit für jede Etage soll nur einen Tag betragen. Auch die Nachbarschaft der Baustelle profitiert vom hohen Vorfertigungsgrad durch kürzere Belastungen. »Sowohl die Gebäudehöhe, das Fassadenmaterial, die Grundrisse inklusive der Anordnung der Balkon- und Loggienmodule als auch das Erdgeschoss können variiert werden«, sagt Jan Kleihues. Der Entwurf könnte die Basis für neue Wohnhochhäuser der HOWOGE in Lichtenberg werden.

Rund 2000 neue Wohnungen könnten berlinweit durch die Aufstockung bestehender Häuser entstehen. Für den Plattenbautyp Q3A hat die WBM eine modulare Lösung entwickeln lassen. Realisiert werden soll die Aufstockung erstmals an der Stralauer Allee in Friedrichshain.

»Auch in 100 Jahren müssen diese Bauten noch angenommen werden«, formuliert Ingo Malter den Nachhaltigkeitsanspruch der Landeseigenen für die Platte 2.0.

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