Istanbuler Schauprozess
Nelli Tügel über einen famosen Auftritt des Journalisten Ahmet Şık
Es gibt in diesen Tagen nicht viele Hoffnungsschimmer in der Türkei. Aber der beeindruckende Auftritt des »Cumhuriyet«-Reporters Ahmet Şık am Mittwoch im Justizpalast von Istanbul ist eine Ausnahme. Şık saß schon einmal im Gefängnis wegen seiner investigativen Recherchen zur Gülen-Bewegung. Das war 2011 - als Erdoğan und Gülen noch dicke Tunke waren. Jetzt ist Şık - Treppenwitz der Geschichte! - wegen angeblicher Unterstützung ebenjener Bewegung angeklagt. Am Mittwoch trat er erhobenen Hauptes vor den Richter. Er habe nicht vor, sich zu verteidigen, sagte Şık. Vielmehr wolle er anklagen. Und dann hielt der Mann eine Rede, die es in sich hatte - und die ihn umgehend zum gefeierten Helden auf Twitter machte. Erdoğan und die AKP hätten, so Şık, die Gülen-Bewegung erst stark gemacht und trügen damit Verantwortung für den Putschversuch vom 15. Juli 2016. »Die Terrororganisation, nach der Sie suchen, ist als politische Partei verkleidet und regiert dieses Land«, sagte er dem Richter ins Gesicht.
Der zeigte sich empört. Ob das hier eine Show sei, fragte er und machte sich unfreiwillig zum Affen. Denn nichts ist offensichtlicher, als dass es sich bei dem Prozess gegen die Mitarbeiter der »Cumhuriyet« um genau das handelt: einen von Erdoğan dirigierten Schauprozess. Das weiß Şık und er hat mit seiner Rede dem Präsidenten einen fetten Strich durch die Rechnung gemacht.
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