Warten auf die Ökolinke
Eva Bulling-Schröter fehlen auf den Wahlplakaten der LINKEN die Themen Kohleausstieg, Klimagerechtigkeit oder Ressourcenfraß
Bisher tröpfelt der Bundestagswahlkampf so durch den verregnet-heißen Sommer. Wenige Tage vor der langen Parlamentssommerpause wurden auch in der LINKE-Parteizentrale die Wahlplakate vorgestellt. In großen Lettern und eingängigen Slogans wird für den 24. September um ein Kreuzchen bei der Linkspartei geworben. »Keine Lust auf ein Weiterso der Politik der Großen Koalition, die die sozialen Probleme nur verwaltet, statt sie zu lösen. Wir dagegen machen in unserer Kampagne Lust auf soziale Gerechtigkeit und auf Frieden. Dafür stehen unsere acht Schwerpunktplakate und unser Spitzenteam aus dem Spitzenduo und den Parteivorsitzenden. Auf geht's«, wirbt die Homepage vom Karl-Liebknecht-Haus für die Kampagne.
Über 20 Jahre habe ich als LINKE-Abgeordnete in Bonn und Berlin für eine Verbindung traditionell-linker Forderungen und modern-ökologischer Fragen gestritten. Und heute? 2017 findet sich auf keinem der LINKEN-Wahlplakate eine Öko-Schlachtformel. Und das in Zeiten Trumpscher Klimawandel-Leugnung und dem Beitritt Deutschlands zum historischen Pariser Weltklimavertrag. In einem Jahr, an dem der heutige »Welterschöpfungstag«, der Tag an dem die Menschheit alle natürlichen Ressourcen aufgebraucht hat, wieder um sechs Tage nach vorne gerückt ist. 2016 hätten die Ressourcen noch bis zum 8. August gereicht. Lebt die Menschheit unverändert weiter wie bisher, so Berechnungen von Umwelt- und Forschungsinstituten, brauchen wir bis zum Jahr 2030 zwei komplette Planeten, um den Bedarf an Nahrung und nachwachsenden Rohstoffen zu decken. 1961 hatte die Menschheit nur zwei Drittel der weltweit zur Verfügung stehenden Ressourcen benötigt. Ein Produktions- und Umverteilungswiderspruch des zeitgenössischen Turbokapitalismus erster Sahne, könnte man meinen. Die Ökokrise, sie könnte ein linkes Schwert gegen Neoliberalismus und Profitorientierung sein, ein Weckruf, um gegen Ausbeutung von Mensch und Natur aufmerksam zu machen.
Woher also die fehlende linke Lust an so dringenden Themen? Weil sich unsere Wählerinnen und Wähler nicht für Kohleausstieg, Klimagerechtigkeit, Ressourcenfraß, saubere Gewässer und Artenschutz interessieren? Wohl kaum. Schenkt man Umfragen Glauben, dann bietet sich ein ganz anderes Bild. Einer jüngsten Exklusiv-Erhebung im Auftrag des »Abendblatts« zufolge machen sich mehr Bürgerinnen und Bürger Sorgen um den Klimawandel, als sie die Flüchtlingspolitik oder ein möglicher Jobverlust um den Schlaf bringt. 71 Prozent der Befragten gaben laut Emnid an, dass die Veränderung des Weltklimas das Problem sei, das ihnen persönlich die größten Sorgen bereite. Damit liegen die Folgen der menschengemachten Erderwärmung durch die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas weit vor der Angst vor neuen Kriegen (65 Prozent), Terroranschlägen (63 Prozent), Kriminalität (62 Prozent) und Altersarmut (59 Prozent). Die Zuwanderung von Flüchtlingen rangiert mit 45 Prozent, Arbeitslosigkeit mit 33 Prozent auf den letzten Sorgenplätzen. Im einstigen Osten, immerhin Wahlhochburg der LINKEN, ist man für die internationale Klimakrise sogar noch sensibler. Hier gaben 76 Prozent der Befragten dem Klimaproblem den Vorrang.
Nun liegt die Vermutung nahe, dass die Bewältigung der Klimakrise vom Wahlvolk nicht einer einzigen Partei zugeordnet wird. Im anderen Fall säßen die Grünen längst im Kanzleramt. Die existentielle Ökofrage werde eher als ein gesamtgesellschaftliches Problem verstanden, schreibt das »Abendblatt«. Öko also rechts liegen lassen? Weil man sich inhaltlich abgrenzen muss, den vermuteten politischen Markenkern nicht aufgeben?
Ein Blick in interne Umfragen der Bundestagsfraktion zeigt regelmäßig, wie wichtig Ökologie insbesondere unter den LINKEN-Anhängern und potentiellen Wählerinnen und Wählern ist. Als »Gewinnerthemen«, also warum Frau und Mann bei der LINKEN ankreuzen und sich an die Partei binden, landet das Thema »Klima- und Umweltschutz« (9 Prozent des Wahlvolks) auf Platz 3, wenn man tagesaktuelle Themen wie »Politik von US-Präsident Trump« (10 Prozent) und »Zuwanderung und Integration« (10 Prozent) außen vor lässt. Hinter dem linken Siegerthema »soziale Gerechtigkeit« (20 Prozent) und »Außenpolitik allgemein« (11 Prozent), gleichauf mit »Bildungspolitik«.
Kurzum: Die LINKE kann mit Ökothemen, und dazu gehört auch Tierschutz, Stimmen gewinnen und behalten. Besonders bei jungen Menschen konnte die Linkspartei in Landtagswahlen zuletzt dazu gewinnen. In Universitätsstädten und im »urbanen, aufgeklärten Milieu«, wie es in Soziologendeutsch so schön heißt. Die halbe Kunstwelt setzt sich heute mit Klimawandel und dem »Anthropozän«, der vom Menschen verformten Welt auseinander. Das Umweltthema, es muss endlich seinen Platz in der LINKEN finden. Keine Lust auf Weiterso. Auf geht’s!
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