Verwarnung nach Volksverhetzung
Justizmitarbeiterin rastete aus und beleidigte in der Schlange eine Familie rassistisch
Was ist bloß in diese Frau gefahren? Das fragte sich die 52-Jährige selbst immer wieder am Mittwoch vor Gericht. In der Schlange vor einem Flaschenautomaten eines Supermarkts war sie Monate zuvor ausfällig gegenüber einer Familie geworden und hatte sie rassistisch beleidigt.
Der 12. März war ein verkaufsoffener Sonntag. Am Flaschenrückgabeautomaten der EDEKA-Filiale am Heckerdamm hatte sich eine Schlange gebildet. Eine Frau tippte dem Mann, der vor ihr stand, auf die Schulter und bat ihn, ihr den Vortritt zu gewähren, weil sie nur drei Flaschen hatte. Der Mann lehnte mit dem Hinweis auf seine drei Kinder, die mit ihm warteten, ab. Die Frau soll daraufhin gerufen haben: »Der Scheißtürke will mich nicht vorlassen ... Hitler hätte das, was er mit den Juden gemacht hat, mich euch machen sollen ... Scheißtürke, am liebsten würde ich ihn und seine Kinder umbringen ...« - und Ähnliches mehr. Als die Partnerin des Mannes hinzukam, fragte sie: »Wie kann eine deutsche Frau mit so etwas zusammen sein?« Daraufhin rief der Mann die Polizei. Die Frau reagierte darauf mit einer Warnung: Sie sei bei der Justiz und werde schon Mittel und Wege finden, um ungestraft aus der Sache rauszukommen.
Angeklagt ist Silvia K. nun wegen Volksverhetzung und Beleidigung. In der Gerichtsverhandlung am Mittwoch schüttelt K. immer wieder den Kopf. Sie verstehe sich selbst nicht. »Es tut mir alles so schrecklich leid.« Der Stress sei schuld. Stress auf der Arbeit, Stress im Alltag, Stress im Fernsehen. Da gebe es nur Mord und Totschlag, IS und so. Da müsse man doch verrückt werden.
Dieser Sonntag im März, sagt sie, der hatte es in sich. Sie kam von einer Geburtstagsfeier, vielleicht habe sie »ein Schnäpperken zu viel« hinter die Binde gekippt. Anschließend habe sie noch eine Angehörige trösten wollen, da eine nahe Verwandte gestorben war.
Trotzdem kann sich Silvia K. nicht erklären, wie sie die ganzen Beleidigungen hatte aussprechen können. Der Richter fragt auch nicht weiter nach. So kommt er zur Entscheidung: Die Angeklagte wird verwarnt, bei Androhung einer Geldstrafe von 4000 Euro. K. soll darüber hinaus einen Entschuldigungsbrief schreiben und an den ältesten Sohn des Geschädigten senden, der am meisten unter den Beleidigungen gelitten habe. Schließlich muss Silvia K. auch noch mit dienstrechtlichen Konsequenzen rechnen.
Beleidigungen können teuer sein. Sie werden in der Regel nur auf Antrag verfolgt. Besonders, wenn Staatsdiener Ziel verbaler Entgleisungen sind. In Berlin wurden im vergangenen Jahr rund 500 rassistische Beschimpfungen registriert. Die wenigsten, geschätzt etwa fünf Prozent, werden zur Anzeige gebracht, und so bleibt der Alltagsrassismus weiter ungestraft.
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