»Wir sind in der Inbetriebnahmephase«
Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup über die Baukatastrophe BER, Brandschutz und den Volksentscheid Tegel
Herr Professor, Sie sind seit fünf Monaten im Amt ...
Stimmt.
Wir fragen uns, ob Sie es bereuen, diesen Schritt gegangen zu sein?
Nein. Ich habe mich nach einigem Überlegen ganz bewusst dieser Aufgabe gestellt.
Seit fünf Monaten ist Engelbert Lütke Daldrup Vorsitzender der Geschäftsführung der Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg.
Der 60-jährige Stadtplaner war bereits als Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium und in der Senatskanzlei mit dem Flughafenprojekt verbunden. Das bedeutendste Infrastrukturprojekt der Region ist lange schon überfällig, der rastlose Kostenrechner der privaten Webseite flughafen-berlin-kosten.de hat längst die 5,3 Milliarden Euro überschritten. Über einen möglichen Eröffnungstermin, Probleme mit Sprinklern und Brandschutz sowie Zukunftsszenarien für den Luftverkehr in der Hauptstadtregion sprachen mit dem Flughafen-Chef für »neues deutschland« Tomas Morgenstern und Martin Kröger.
Wie sieht Ihre persönliche Bilanz der ersten Monate am BER aus?
Ich habe zügig notwendige Struktur- und Personalentscheidungen vorbereitet und umgesetzt, um den BER so schnell wie möglich fertig zu bauen. Mittlerweile liegen alle Genehmigungen für die restlichen Arbeiten vor. Wir haben die Strukturen im Flughafen stärker auf die Anlagenlogik umgestellt, weil wir im wesentlichen nicht mehr in der Bauphase, sondern vor allem in der Inbetriebnahmephase sind. Und wir haben uns sehr intensiv mit den Projektrisiken beschäftigt.
Inbetriebnahme? Das heißt, Sie können uns auch einen Termin für die Eröffnung nennen?
Wir werden in diesem Jahr dem Aufsichtsrat einen Termin nennen. Eine wesentliche Voraussetzung dafür sind Gespräche mit den am BER beauftragten Baufirmen. Ich erwarte, dass wir mit den beteiligten Unternehmen – namhafte Firmen der deutschen Wirtschaft, wie Bosch und Siemens – jetzt abschließende und verbindliche Vereinbarungen schließen, wann sie mit ihren Restleistungen fertig sind. Das ist eine zentrale Voraussetzung dafür, um dem Aufsichtsrat einen Termin für die Inbetriebnahme zu nennen.
Ein großes Risiko war früher die Entrauchungsanlage des Fluggastterminals. Haben Sie dieses Grundproblem inzwischen im Griff? Gab es schon sogenannte Heißgasversuche mit der Anlage?
Wir haben einen Teil der Heißgas-Rauchversuche bereits durchgeführt.
Dabei gab es keine Probleme?
Nein. Insofern ist bei der Entrauchungsanlage, nach allem, was wir bisher wissen, die Problematik behoben. Es müssen aber noch weitere Versuche durchgeführt werden und wir brauchen sogenannte Wirkprinzipprüfungen, die das Zusammenspiel aller technischen Elemente testen. Das heißt, wir testen nicht nur die Entrauchungsanlage, die Sprinkleranlage oder die Meldesysteme, sondern es wird komplex geprüft, ob alle Systeme auch so zusammen funktionieren, wie es in den Brandschutzvorschriften vorgesehen ist.
Bleiben wir kurz bei der Sprinkleranlage, die ja unlängst Probleme bereitet hat, weil in einigen Bereichen wegen nachgerüsteter Sprinklerköpfe nicht mehr genügend Druck in den Leitungen war ...
... Derzeit sind wir dabei, die Sprinkleranlage des BER komplett hydraulisch nachzurechnen. Dazu werden komplexe 3-D-Modelle erarbeitet, die jedes Stück Rohr, jeden Durchmesser und jeden Knick beinhalten. Wenn nötig, müssen wir nacharbeiten.
Für Laien klingt das, als müssten Wände aufgestemmt werden, um an die Rohre heranzukommen.
Die Rohre liegen in den Doppeldecken, die ohnehin noch offen sind. Der bauliche Aufwand ist also überschaubar. Dennoch ist das ein ärgerliches Thema.
Der Flughafenbau wurde seinerzeit durch die Pleite beim Gebäudeausrüster Imtech verzögert. Haben Sie gar keine Angst, dass die für die Sprinkleranlage zuständige Firma Caverion, die nach deren eigenen Angaben ebenfalls in Schwierigkeiten ist, auch wegbrechen könnte?
Caverion ist ein wichtiger Partner für die Baustelle. Wir arbeiten mit denen im technischen Bereich gut zusammen und sind in intensiven Gesprächen. Insofern bin ich optimistisch, dass wir die Probleme gemeinsam lösen.
Dass das Unternehmen nach eigenem Bekunden viele Schlüsselpositionen ausgetauscht hat, bereitet Ihnen keine Sorge?
Wir haben im Kern mit der Niederlassung in Dresden zu tun, und das sind solide Ansprechpartner.
Kritiker sagen, der BER sei schon zur Eröffnung viel zu klein und obendrein verkehrlich schlecht angebunden. Was entgegnen Sie denen?
Im Vergleich zu anderen Flughäfen ist der BER vor allen Dingen im öffentlichen Verkehr exzellent angebunden. Wir haben einen Bahnhof direkt unter dem Terminal, wir haben dann die S-Bahn, die Regionalbahn, den Airport-Express und den ICE. Mit Fertigstellung der Dresdner Bahn 2025 ist man sogar in 15 Minuten am Südkreuz, in 20 Minuten am Hauptbahnhof – besser kann man es sich kaum wünschen. Außerdem haben wir eine gute Anbindung über die Autobahn und 9500 Stellplätze in den Parkhäusern.
Um bei den Kapazitäten des BER auch auf künftige Erfordernisse vor bereitet zu sein, arbeiten Sie an einem Masterplan bis 2040. Der sollte zum Jahresende fertig sein. Wie weit sind Sie damit gekommen?
Am Masterplan wird intensiv gearbeitet. Es gibt ein klares Ziel, mit dem wir den BER in der Kapazität schrittweise und bedarfsgerecht ausbauen. Wir wissen, dass dieses Flughafensystem mit zwei Landebahnen über 55 Millionen Passagiere abwickeln kann. Wir wissen, dass wir künftig im Terminalbereich weitere Ergänzungsbauten wie das bereits beschlossene Terminal T1E vor dem Pier Nord brauchen. Auch die Vorfeldflächen werden wir ausbauen und im Umfeld des Regierungsflughafens eine Reihe von Investitionen tätigen. Geplant sind fünf Phasen: Die erste Phase, das Ausbauprogramm für 700 Millionen Euro aus dem Jahre 2015, wurde bereits vom Aufsichtsrat genehmigt und im Masterplan überarbeitet.
Viele Bürger fragen sich angesichts der Millionenbeträge, was Sie das BER-Chaos am Ende kosten wird.
Das Budget für die Inbetriebnahme und die erste Ausbaustufe ist festgesetzt. Damit werden wir klarkommen. Wir haben einen Finanzrahmen durch die EU-Notifizierung und die Bürgschaften der Gesellschafter zur Verfügung gestellt bekommen, der sich aus Darlehen der Gesellschafter und Darlehen von privaten Banken zusammensetzt. Damit kann der BER fertig gebaut und das Ausbauprogramm in der ersten Stufe realisiert werden.
Viel Geld müssten Sie auch in die Hand nehmen, um den Flughafen Tegel am Laufen zu halten. Einer Ihrer Vorgänger, Hartmut Mehdorn, hat jüngst erklärt, er wolle beim Volksentscheid am 24. September für die Offenhaltung Tegels stimmen. Wie werden Sie abstimmen?
Tatsache ist: Der Betrieb von zwei Standorten ist mit erheblichen finanziellen Kosten verbunden und konterkariert alles, was in den letzten 20 Jahren von den Gesellschaftern Berlin, Brandenburg und dem Bund beschlossen, geplant und umgesetzt wurde. Wir hätten zusätzliche Betriebsaufwendungen und Erlösminderungen von 100 bis 200 Millionen Euro im Jahr. Darüber hinaus hätten wir in Tegel eine große Investition zu schultern, wenn der Flughafen dauerhaft betrieben werden sollte. Das sind insgesamt 1,1 Milliarden Euro unter anderem für Investitionen in 38 Gebäude, Verkehrsflächen, Landebahnen, Infrastruktur und Medien. Nicht zu vergessen der erhebliche Aufwand im Lärmschutz für rund 300 000 Betroffene im direkten Umfeld des Flughafens.
Sie selbst haben die Missstände in Tegel bei einem Rundgang aufgezeigt. Ist es angesichts der maroden Infrastruktur überhaupt noch vertretbar, Tegel am Netz zu halten?
Tegel ist ein sicherer Flughafen, das sage ich ohne Wenn und Aber – nicht zuletzt wegen der erfahrenen Mitarbeiter dort. Die Rechtslage ist aber, dass der Flughafen mit der Eröffnung des BER schließen muss. Deshalb wurde in den vergangenen Jahren auch nur in die Erhaltung investiert.
Umfragen zum Tegel-Volksentscheid sprechen eine deutliche Sprache. Wird das Konzept des sogenannten Single-Airports auch noch am 25. September stehen?
Das müssen letztlich die Gesellschafter entscheiden. Aber die Fakten lassen sich nicht wegdiskutieren: die hohen Kosten, die großen rechtlichen Probleme. Man müsste in Tegel erst eine neue Planfeststellung herstellen. Jeder, der die Entstehungsgeschichte des BER verfolgt hat, weiß, welche Zeiträume das erfordert, welche großen Aufwendungen an Behördenbeteiligung, Verbändebeteiligung, Umweltthemen, Bürgerbeteiligung. Hinzu kommt der Rechtsweg mit zwei Instanzen.
Wäre es beim Blick über die nahe Zukunft des BER hinaus nicht doch sinnvoll, einen von der Stadt entkoppelten Flughafen zu bauen?
Beim Masterplan haben wir uns mit dem Jahr 2040 schon weit in die Zukunft bewegt. Am BER haben wir viele Möglichkeiten des weiteren Ausbaus. Das Beispiel London-Heathrow zeigt, dass mit zwei Start- und Landebahnen mehr als 70 Millionen Passagiere im Jahr abgewickelt werden können.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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