Unsre Eier, die sind Güteklasse bäh
Skandal um mit Fipronil belastete Eier weitet sich aus / Mindestens zehn Millionen Eier betroffen
Erst waren es drei Millionen, nun sollen mindestens zehn Millionen mit dem Läusemittel Fipronil verseuchte Eier in Deutschland in den Handel gelangt sein. Das sagte Niedersachsens Landwirtschaftsminister Christian Meyer (Grüne) am Freitag im ZDF. In der jüngsten Zahl sind verarbeitete Eier - etwa in Kuchen, Nudeln oder Grillsoßen - noch nicht enthalten. Solche Produkte sollen nun auch unter die Lupe genommen werden, so Meyer. Er kritisierte, dass verarbeitete Eier nicht gekennzeichnet werden müssten. Das sei intransparent und erschwere die Aufklärung von Lebensmittelskandalen. Er forderte die Koalition auf, eine Kennzeichnungspflicht einzuführen. Das verlangen Verbraucherverbände seit Jahren.
Zudem ist unklar, ob Hühner aus den betroffenen Ställen in irgendeiner Form auf den Tellern der Konsumenten landeten. Grundsätzlich werden Legehennen nicht zu Lebensmitteln verarbeitet, die niederländischen Betriebe, von denen der Fipronil-Skandal ausging, töten vorsorglich belastete Hennen. Zudem werden täglich rund 5,5 Millionen belasteter Eier vernichtet. Fipronil, das als Pflanzenschutzmittel sowie gegen Flöhe, Zecken, Läuse, Schaben und Milben verwendet wird, darf nicht bei Tieren eingesetzt werden, die Lebensmittel liefern. Der Stoff kann Schäden an Nerven und Organen verursachen. Es war in die Geflügelbetriebe gelangt, weil ein niederländischer Händler dem zugelassenen Läusemittel Dega-16 Fipronil zugesetzt hatte. Ob die Geflügelbetriebe davon wussten, ist unklar. Der Bund für Umwelt und Naturschutz wies darauf hin, dass Fipronil nicht nur für Menschen gefährlich sei, sondern - ähnlich wie die umstrittenen Neonikotinoide - den Bienen schade. In der EU-Landwirtschaft sei Fipronil nur eingeschränkt zugelassen, dagegen klage aber der Hersteller BASF.
Die in den Eiern gemessenen Fipronil-Werte erreichen nach Angaben des Bundesinstituts für Risikobewertung keine gefährlichen Werte. Besonders Kinder sollten aber keine essen. Fipronil baut sich beim Backen oder Kochen nicht ab. Verbraucherschützer empfehlen, belastete Eier in die Supermärkte zurückzubringen.
Die haben teils schon die Reißleine gezogen: Der Discounter Aldi kündigte an, zunächst keine Eier mehr zu verkaufen. Es handle sich um eine Vorsichtsmaßnahme, in den nächsten Tagen seien aber Engpässe bei Eiern zu erwarten. Bei Aldi gekaufte Eier können ohne Kassenbon zurückgegeben werden, der Preis wird erstattet. Edeka, Rewe und Lidl wollen auf einen radikalen Schritt zunächst verzichten. Man beobachte die Situation aber, sagte ein Rewe-Sprecher. Edeka wies darauf hin, dass Eier der Eigenmarken aus Deutschland stammten. Der Bauernverband kritisierte die Entscheidung von Aldi als »überzogen«.
Die niederländischen Geflügelhalter rechnen derweil mit Einnahmeverlusten von über zehn Millionen Euro. In den Niederlanden werden jährlich rund zehn Milliarden Hühnereier produziert, die meisten für den Export. Deutschland ist der Hauptkunde, pro Jahr verkaufen die Niederlande hierzulande für rund 400 Millionen Euro Eier. Derzeit sind 138 Betriebe gesperrt.
Der Naturschutzbund NABU forderte ein grundsätzliches Umdenken der EU in ihrer Ernährungs- und Landwirtschaftspolitik. Das derzeitige System sei anfällig für illegales Handeln. NABU-Geschäftsführer Leif Miller sagte, die Lebensmittelindustrie produziere einen Skandal nach dem anderen. Derzeit belohne die EU mittels ihrer Agrarförderung vor allem jene, die Masse statt Klasse produzierten. Auch müsse der Einsatz von Insektiziden schärfer kontrolliert werden.
www.lebensmittelwarnung.de informiert über betroffene Stempelnummern
Dieser Beitrag wurde am 25. Juli 2018 geändert.
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