Der »große Bluff« Bafög-Reform
Weniger Empfänger, höhere Förderung: Studentenwerk und Opposition kritisieren die Ergebnisse der Reform von 2016 / Linkspartei: Studium bedeutet für viele Leben an der Armutsgrenze
Berlin. Die Zahl der Bafög-Empfänger ist im vergangenen Jahr zurückgegangen. Im Vergleich zum Vorjahr nahmen 2016 5,5 Prozent weniger Studenten und Schüler die staatlichen Hilfen in Anspruch, wie das Statistische Bundesamt am Freitag in Wiesbaden mitteilte. Zugleich stiegen die durchschnittlichen monatlichen Förderbeträge an: bei Studierenden um 16 Euro (3,6 Prozent), bei Schülern um 14 Euro (3,3 Prozent).
Die Bundesregierung sieht durch die Daten die Wirksamkeit der Hilfen bestätigt. Studentenwerk und Opposition kritisierten die Ergebnisse der Reform aus dem Jahr 2016 jedoch als unzureichend.
Kai Gehring, Sprecher der Grünen für Hochschule, Wissenschaft und Forschung, bezeichnete die Bafög-Reform als »großen Bluff ohne Wirkung für die Bildungsgerechtigkeit«. Der Anteil derjenigen, die neben dem Studium arbeiten müssen, steige immer weiter. Die Grünen forderten, Bafög als Vollzuschuss zu gewähren und nicht wie derzeit als Teilstipendium, bei dem die Hälfte der Fördergelder später wieder zurückgezahlt werden muss.
Auch die Linkspartei will das Bafög in ein Vollstipendium umwandeln. Nicole Gohlke, wissenschafts- und hochschulpolitische Sprecherin der Fraktion, betonte: »Schon heute bedeutet ein Studium für viele ein Leben an der Armutsgrenze.« Steigende Mieten, der teure Studienaufwand und schlecht bezahlte Studentenjobs brächten viele an ihre finanziellen Grenzen. Das Bafög müsse sich deshalb an der Lebensrealität der Studierenden orientieren, sagte Gohlke.
Das Deutsche Studentenwerk (DSW) kritisierte die Bafög-Reform ebenfalls. »Die jüngste BAföG-Erhöhung kam zu spät, und sie fiel zu niedrig aus«, sagte Achim Meyer auf der Heyde, Generalsekretär des DSW. Das von der Bundesregierung selbst gesteckte Ziel, 110.000 Geförderte zusätzlich zu generieren, sei verfehlt worden. Zu wenige Studierende nutzen kleinere und mittlere Förderbeträge, sagte der Fachmann.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) sprach sich für eine Erhöhung des Bafögs aus. »Die Freibeträge müssen mit der realen Entwicklung der Bruttolöhne Schritt halten«, sagte Elke Hannack, stellvertretende Vorsitzende des DGB. Als Orientierungspunkt für die Ermittlung der Bedarfssätze sollte im BAföG-Bericht künftig der durch die DSW-Sozialerhebung ermittelte Bedarf der Studierenden dienen.
Im vergangenen Jahr gab es laut Statistik bundesweit rund 823.000 Bafög-Empfänger, darunter 239.000 Schüler. Insgesamt wurden im Vorjahr 2,9 Milliarden Euro ausgezahlt, hieß es. Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) erklärte: »Die 2016 insgesamt nochmals gestiegenen Studierenden- und insbesondere die Studienanfängerzahlen zeigen, dass das Bafög seiner Zielsetzung, dass niemand aus finanziellen Gründen von einer qualifizierten Ausbildung abgehalten werden darf, weiterhin gerecht wird.«
Die Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz gibt es seit 46 Jahren. Seit 2015 werden sie ausschließlich aus Bundesmitteln finanziert. Die letzte Bafög-Reform umfasst einen höheren Höchstförderungssatz sowie höhere Wohn- und Kinderbetreuungszuschläge. Die Verbesserungen sind erst mit Schuljahresbeginn sowie ab dem Wintersemester wirksam geworden. Die Statistik 2016 sei deshalb noch nicht aussagekräftig genug, um die Wirkung der Reform insgesamt zu beurteilen, sagte Wanka. epd/nd
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.