Hiroshima: Gedenken und Rufe nach Abrüstung
Friedensgesellschaft: Kernwaffen sind völkerrechtswidrig -Kritik an NATO und Russland / IPPNW warnt vor neuem nuklearen Wettrüsten
Berlin. Mit einer Schweigeminute haben Tausende Menschen in Hiroshima des Abwurfs der US-Atombombe auf die japanische Großstadt vor 72 Jahren gedacht. An der zentralen Gedenkzeremonie am Sonntagmorgen nahmen neben Ministerpräsident Shinzo Abe auch Überlebende teil.
Die Schweigeminute begann um 8.15 Uhr Ortszeit - zu diesem Zeitpunkt hatte der US-Bomber Enola Gay damals die erste im Krieg eingesetzte Atombombe mit dem Namen »Little Boy« über der Stadt im Westen des Landes abgeworfen. Zehntausende Bewohner waren sofort tot, insgesamt starben bis zum Ende des Jahres 1945 schätzungsweise 140.000 Menschen. Drei Tage nach Hiroshima warfen die Amerikaner eine zweite Atombombe über Nagasaki ab. Kurz danach kapitulierte das japanische Kaiserreich. Die genaue Opferzahl der beiden Atombombenabwürfe wird sich nie ermitteln lassen, weil viele erst an den Spätfolgen der radioaktiven Strahlung starben.
Hiroshima ist ein weltweites Symbol für Krieg - und für Frieden. Heute ist die Stadt auf der Insel Honshu eine Metropole mit etwa 1,1 Millionen Einwohnern. An den Abwurf der Atombombe erinnert der Friedenspark mit der ausgebrannten Kuppel einer Ausstellungshalle.
Der der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen, Thomas Carl Schwoerer, mahnte in der »Frankfurter Allgemeinen« zu strikter Abrüstung. In der Eifel lagernde amerikanische Atomwaffen würden »durch modernste, zielgenauere Typen ersetzt«, welche »die Hemmschwelle für einen Atomwaffeneinsatz senken. Das ist eine klare nukleare Aufrüstung, die von der deutschen Regierung unterstützt wird«. Die Friedensbewegung fordere hingegen den Abzug dieser Waffen. Zudem gebe es ein völkerrechtlich verbindliches Verbot von Atomwaffen - dieses gebe es nun seit dem 17. Juli. An dem Tag hatten 122 Länder in der UNO eine solche Vereinbarung beschlossen. »Alle Befürworter nuklearer Abschreckung, beispielsweise die NATO und Russland, stehen nun auf der falschen Seite des internationalen Rechts«, so Schwoerer. »Atombomben sind wie die ebenfalls verbotenen Bio- und Chemiewaffen völkerrechtswidrig.«
Auch die Ärzte-Organisation IPPNW warnte vor einem neuen nuklearen Wettrüsten. Die Gefahr sei aktueller den je, sagte die Europavorsitzende Angelika Claußen der in Bielefeld erscheinenden »Neuen Westfälischen«. Wenn Staaten wie Russland oder die USA »jederzeit 1.200 Atomwaffen auf der höchsten Alarmstufe stehen haben, sollte man Angst haben«, so Claußen.
Zudem wachse die Zahl der Atomstaaten. Besonders in Saudi-Arabien, Katar und der Türkei sind laut Claußen Tendenzen zu beobachten, zur Atommacht zu wachsen. »Sie wollen Atomenergie und Atomtechnologie haben, damit sie Waffen produzieren können. Das wird nicht offen gesagt, aber es ist so«, sagte die Bielefelder Ärztin. Die Vergangenheit habe gezeigt: »Die Atomkraft ist der Schlüssel zur Atombombe.« Darüber eigne man sich die Technologie an. Deutschland trägt nach Ansicht von Claußen dazu bei, das Wissen weiterzutragen. In der Urananreicherungsanlage im westfälischen Gronau, die weltweit Atomkraftwerke beliefert, sei zum Beispiel ein pakistanischer Atomkrafttechniker ausgebildet worden. »Er hat unter anderem dafür gesorgt, dass Pakistan die Atomwaffe entwickeln konnte«, sagte die IPPNW-Aktivistin.
Mit einer Friedens-Radtour sind am Samstagvormittag in Köln die Gedenkveranstaltungen den 72. Jahrestagen der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki gestartet. Auf ihrer einwöchigen Route wollen Aktivisten für Abrüstung werben. Stationen sind unter anderem der Luftwaffenstützpunkt Nörvenich, die Zentrale des Rüstungskonzerns Rheinmetall und das US-Waffendepot in Dülmen. Am Samstag sollten in mehreren NRW-Städten Friedensgebete, Schweigemärsche und ökumenische Andachten stattfinden. Agenturen/nd
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