Führung aus einer Hand

Die Bundespolizei ordnet ihre Anti-Terror-Elite neu und errichtet ein Hauptquartier in Berlin

  • René Heilig
  • Lesedauer: 5 Min.
Das Bundespolizei-Quartier in Berlin-Kreuzberg
Das Bundespolizei-Quartier in Berlin-Kreuzberg

Seit Monatsbeginn hat die Bundespolizei eine Direktion 11. Unter ihrem Dach ist die Elite versammelt. Dazu gehört die GSG 9 ebenso wie die mit Hubschraubern verschiedener Typen ausgerüstete Fliegergruppe. Mit dabei sind Kräfte, die deutsche Auslandsvertretungen schützen und auch jene, die - wie es heißt - besondere Schutzaufgaben im Luftverkehr erfüllen. Auch die immer öfter geforderten Entschärfungsdienste der Bundespolizei gehören zur Direktion 11. Deren Aufgabe lautet: Führen aus einer Hand. Man will die besonderen Kompetenzen der Bundespolizei-Elite bestmöglich verzahnen und sie so noch reaktionsfähiger machen. Insbesondere in sogenannten Terrorlagen.

Es ist selten, dass die Union einmal nicht nach neuen Gesetzen ruft, um besser gewappnet zu sein vor allem gegen islamistisch geprägten Terrorismus. Womöglich fällt Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) nach allerlei Verschärfungen derzeit nicht mehr viel ein, was man im Innern der Bundesrepublik per Gesetz der Gefahr entgegenstellen kann. Und die weitere Verknüpfung diverser Dateien quer durch die EU gestaltet sich schwieriger als gedacht. Vermuten darf man, dass die Umgruppierung nicht zufällig jetzt vorgenommen wird. Da ist es nicht weit her mit der parlamentarischen Kontrolle, denn die Bundestagssommerpause ist eine geradezu geheiligte Einrichtung.

Wie steht es um die Elite der Bundespolizei? Über die GSG 9 erfährt man wenig. Sie ist im Standort Sankt Augustin bei Bonn beheimatet. Seit dem Frühjahr gibt es einen neuen Imagefilm. Wer sich den anschaut, glaubt, dass die härtesten Spezialisten der US-Streitkräfte, die Navy Seals, die den Al-Qaida-Führer Osama bin Laden ausgeschaltet haben, noch etwas von den deutschen Beamten lernen können. Begründet wurde das Image der GSG 9 vor nunmehr 40 Jahren bei der Operation »Feuerzauber«. Angehörige der Grenzschutzgruppe 9 befreiten im somalischen Mogadischu die Passagiere der Lufthansa-Maschine »Landshut«. Gebildet wurde die Einheit - die zum damaligen Bundesgrenzschutz gehörte, aus dem die Bundespolizei wurde - nach der völlig schief gelaufenen Geiselbefreiung während der Olympischen Spiele 1972 in München. Bei der hatten palästinensische Terroristen elf israelische Teilnehmer umgebracht. Als fünf Jahre später der »Feuerzauber« gut ausging, wurde die GSG 9 schlagartig bekannt und begründete ihr weltweit noch immer hohes Ansehen.

Ist das noch immer berechtigt? Die betriebene Geheimniskrämerei verhindert eine tragfähige Antwort. Doch einzelne Einsätze der Gruppe lassen vermuten, dass auch sie nur mit dem sprichwörtlichen Wasser kocht.

Beispiel: »Hansa Stavanger«. Der Frachter war im April 2009 vor der somalischen Küste entführt worden. An Bord des Schiffes aus der Hamburger Reederei Leonhardt und Blumberg waren neben philippinischen, russischen und ukrainischen Besatzungsmitgliedern ein deutscher Kapitän und vier deutsche Offiziere. Die Piraten forderten 15 Millionen Euro Lösegeld, die Bundesregierung - damals war Wolfgang Schäuble (CDU) noch Innenressortchef - setzte auf die harte Tour. Wozu hat man die GSG 9?! Doch wie sollte man die Männer per Hubschrauber auf das geenterte Schiff bringen? Die Deutsche Marine zeigte sich außerstande. Darum wurden die USA um logistischen Beistand gebeten. Der Hubschrauberträger »Boxer« stand zur Verfügung.

Dann aber kam es ganz anders. Rund 200 Spezialisten der GSG 9 wurden nach Kenia gebracht und in einem Ferienhotel einquartiert. Was nicht verborgen blieb. Der Einsatzleiter zögerte, er wollte kein Blutbad riskieren. Dann meldete sich plötzlich James Jones, der Sicherheitsberater von US-Präsident Barack Obama, im Kanzleramt und stoppte die Aktion. Offenbar hatten die USA die Diskussionen der beteiligten deutschen Kräfte abgehört. Hilfe ja, Blutbad nein. Obama stand vor der Bilanz seiner ersten 100 Tage im Amt.

Beispiel: Sauerland-Terrorgruppe. Am 4. September 2007 wurden drei Mitglieder der Bombenbastler, die der Islamischen Dschihad-Union nachliefen, in einem Ferienhaus im sauerländischen Oberschledorn verhaftet. Die GSG 9 agierte dabei nicht pannenfrei. Bei der Erstürmung des Hauses sprang der Terrorhäuptling Daniel Schneider durch das Badezimmerfenster und konnte flüchten. Die Verfolgung durch zwei GSG 9-Kämpfer scheiterte unter anderem an ihrer zu schweren Schutzkleidung. Festgenommen wurde Schneider schließlich von Beamten des Bundeskriminalamts, die einen Absperrring gebildet hatten. Aber das war auch mehr dem Zufall als einer brauchbaren Funkverbindung mit der GSG 9 geschuldet.

Fehler in der Funkkommunikation sollen auch die Ursache für eine verpatzte GSG 9-Operation in Bad Kleinen gewesen sein. Das ist ein verschlafener Ort in Mecklenburg-Vorpommern. Der Schlag gegen eine noch bestehende Gruppe der Roten Armee Fraktion im Juni 1993 war angeblich gut vorbereitet. Doch als die drei mutmaßliche RAF-Terroristen den Bahnhofstunnel betraten, löste ein Beamter der Eliteeinheit den Zugriff aus. Doch der geriet zu einem Fiasko. Sowohl der RAF-Mann Wolfgang Grams als auch der GSG 9-Kommissar Michael Newrzella starben. Die Folge: Ein Bundesminister trat zurück, ein Generalbundesanwalt wurde entlassen und eine Elitetruppe entzaubert. Acht Monate nach der umstrittenen und für viele noch immer wegen des Einsatzes eines V-Mannes höchst fragwürdigen Anti-Terror-Aktion von Bad Kleinen hat Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) in einem 46-Seiten-Abschlussbericht zahlreiche Mängel beim Vorgehen der Sicherheitskräfte aufgelistet. Schlussfolgerung: Die GSG 9 sollte künftig durch eine häufigere Teilnahme an Einsätzen der Länderpolizeien mehr Erfahrung vermittelt bekommen.

Das geschah auch. Doch angesichts zunehmender Anschlagsgefahren kam die GSG 9 rasch an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit. Also erfand das Bundesinnenministerium im Dezember 2015 eine leichte Abart der Eliteformation. BFE+ nennt die sich. BFE heißt Beweis- und Festnahmeeinheit, es handelt sich also um reguläre Hundertschaften der kasernierten Bundespolizei. Pünktlich zum G20-Gipfel der Staats- und Regierungschefs im Juli dieses Jahres waren die in Blumberg bei Berlin, St. Augustin, Bayreuth, Uelzen und Hünfeld stationierten Einheiten einsatzbereit, um - wie es heißt - bei länger andauernden Sonderlagen präsent zu sein. Außerhalb solcher Einsätze steht die »Elite Light« für normale Tagesaufgaben zur Verfügung. Weshalb diese Truppen auch nicht der Direktion 11 angegliedert werden.

Noch seltener als über die GSG 9 wird über die Bundespolizisten gesprochen, die in deutschen Auslandsvertretungen Dienst tun. Insgesamt 500 arbeiten als sogenannte Auslandsverwender in mehr als 80 Ländern. Neben dem Schutz der Auslandsvertretungen nehmen die Beamten Aufgaben als Verbindungsbeamte wahr. Sie sind unter anderem Teil der sogenannten Vorverlagerungsstrategie bei Visa-Angelegenheiten. Derartige Aufgaben nehmen zu.

Bei Bildung der Auslandstruppe spielte die GSG 9 eine große Rolle. 2008 entsandte sie das erste »Personenschutzteam neuen Typus« in die afghanische Hauptstadt Kabul. 2010 schickte man ein weiteres Team nach Bagdad. Seit 2012 schützen Bundespolizeibeamte auch das Leben der Botschafter in Sanaa (Jemen), Tripolis (Libyen) und Bogotá (Kolumbien). Bislang starben sechs dieser Diplomaten-Bewacher im Dienst. So wurden 2004 zwei bei Falludscha getötet, 2007 starben Polizeibeamte bei einem Sprengstoffanschlag in Afghanistan.

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