Kritik an Trumps »Wutgeschrei«
Wie China ruft auch die Bundesregierung Nordkorea und die USA zur Mäßigung auf
Eigentlich spielt Donald Trump in diesen Tagen vorrangig Golf. Nun aber hat der US-Präsident die verbale Keule in einer Art geschwungen, die auch im politischen Washington die Alarmglocken schrillen lässt. In seinem Club in Bedminster im Bundesstaat New Jersey warnte er Nordkorea in einer Tonlage, wie sie auch der dortige Machthaber Kim Jong Un bevorzugt: Pjöngjang sollte den USA besser nicht mehr drohen, denn sonst »werden sie mit Feuer und Zorn getroffen, wie es die Welt noch nicht gesehen hat«. Am Mittwochmorgen legte Trump auf Twitter noch einmal nach: »Mein erster Befehl als Präsident war, das nukleare Arsenal zu erneuern und zu modernisieren.« Jetzt sei es »weit stärker und kraftvoller als jemals zuvor.«
Die USA verfügen heute über rund 7000 der weltweit noch existierenden 15 000 Kernwaffen. Wie Moskau hält Washington dabei 1200 Atomwaffen permanent in höchster Alarmbereitschaft. Mit dem Argument, die Arsenale seien veraltet und nicht mehr sicher und zuverlässig, hatte der Kongress schon vor Trump eine umfassende Modernisierung beschlossen, die von Interkontinentalraketen über Bombenflugzeuge bis zu Atom-U-Booten alle Bestandteile der nuklearen »Triade« erfasst und in einem Zeitraum von 30 Jahren eine Billion Dollar kosten soll. Dazu gehört auch die Entwicklung neuer Nuklearsprengköpfe. Nach wie vor haben die USA den Atomteststoppvertrag nicht ratifiziert.
Am Vortag hatte Nordkorea abermals angekündigt, dass die eigene Atomstreitmacht - die die Wissenschaftler vom Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI inzwischen auf zehn nukleare Sprengköpfe schätzen - den USA eine »ernsthafte Lektion« erteilen werde, sollte Washington seinerseits einen Militärschlag wagen. Nach Trumps apokalyptischer Warnung wurde man dann konkreter: Wenn es Anzeichen für eine Provokation seitens der Vereinigten Staaten gebe, so eine am Mittwoch von der amtlichen Nachrichtenagentur KCNA verbreitete Erklärung der Militärführung, drohe ein Präventivschlag. Zudem werde ernsthaft ein Raketenangriff auf die US-amerikanische Pazifikinsel Guam und den dortigen Stützpunkt geprüft.
US-Außenminister Rex Tillerson sieht keine »unmittelbare Bedrohung« für das Außenterritorium, »die Amerikaner sollten nachts ruhig schlafen«. Auf dem Weg nach Guam nannte er Trumps an Präsident Trumans Erklärung zum Atombombenabwurf auf Hiroshima erinnernden Worte am Mittwoch eine »starke Botschaft«, deren Sprache Kim Jong Un »verstehen kann«. Während die Regierung in Tokio wissen ließ, dass man die Position Washingtons schätze, sehen das Medien und Politiker in den Vereinigten Staaten durchaus anders.
Der demokratische Abgeordnete Eliot Engel warf dem Präsidenten vor, eine »absurde rote Linie« gezogen zu haben. »Die Sicherheit Amerikas beruht nicht nur auf der Stärke unserer Armee, sondern auch auf der Glaubwürdigkeit unseres Oberkommandierenden.« Ben Cardin, der ranghöchste Demokrat im Außenausschuss des Senats, erklärte, »wir sollten nicht in dasselbe Wutgeschrei und dieselben Provokationen über einen Atomkrieg einstimmen wie Nordkorea«.
Gepolter schade nur der nationalen Sicherheit, twitterte der ehemalige Pentagon-Chef William Perry, der in den 1990er Jahren in der Ära Clinton mit Pjöngjang über ein Nuklearabkommen verhandelt hat. Und der republikanische Senator John McCain erinnerte daran, dass »große Führungspersönlichkeiten« ihren Feinden nur drohten, wenn sie auch zum Handeln bereit seien. »Ich bin mir nicht sicher, ob Präsident Trump bereit ist zu handeln«, so der Vietnam-Kriegsveteran, der vor einer »ernsthaften Konfrontation« mit Nordkorea warnte.
Die »Washington Post« befürchtet, dass Trumps Drohung zu einer Fehleinschätzung auf der Gegenseite führen und sogar einen Atomkrieg provozieren könnte. Damit habe der Präsident die US-Politik in eine bedenkliche Richtung gedrängt und gefährde die Sicherheit anscheinend aus einer Laune heraus, schreibt der »Boston Globe«. Dabei hatte Pentagon-Chef James Mattis noch vor wenigen Monaten erklärt, ein Atomkonflikt mit Nordkorea bedeute »wahrscheinlich die schlimmste Art von Kämpfen im Leben der meisten Menschen«.
Wie die Führung in Peking hat auch die Bundesregierung von beiden Seiten Mäßigung verlangt. Die Lage sei wirklich ernst; ein weiteres Säbelrasseln werde sicher nicht weiterhelfen, ein militärischer Weg könne in dem Konflikt keine Lösung bringen, ließ Außenminister Sigmar Gabriel in Berlin wissen. Ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums nannte die Lage auf der koreanischen Halbinsel »sehr kompliziert und heikel«. Man hoffe, dass sich »alle Parteien vorsichtig äußern, umsichtig vorgehen und so schnell wie möglich an den Verhandlungstisch und zum Dialog zurückkehren«.
Zugleich hat China, das als letzter Verbündeter und wichtigster Handelspartner Pjöngjangs gilt, ein Militärmanöver in der Region begonnen. An der »groß angelegten« Übung im Gelben Meer und im Golf von Bohai sind Marine und Luftwaffe beteiligt, wie das Pekinger Verteidigungsministerium mitteilte. Die Soldaten sollen demnach Waffen und Flugabwehrsysteme erproben und Angriffe auf Küsten üben.
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