Geheimagenten aus dem Boom-Staat
Der Fall des mutmaßlich entführten Trinh Xuan Thanh könnte Auswirkungen auf die ökonomischen Beziehungen Deutschlands zu Vietnam haben
Wenn die Zeugenaussagen zutreffen, dann spielte sich am 23. Juli im Berliner Tiergarten eine Szene wie aus einem Agentenkrimi ab: Aus einem Fahrzeug mit tschechischen Kennzeichen stürmten bewaffnete Männer, schleppten zwei Passanten in einen Wagen und fuhren davon.
Laut der Bundesregierung besteht kein Zweifel, dass es sich bei einem der Entführten um den vietnamesischen Ex-Funktionär und Geschäftsmann Trinh Xuan Thanh handelt, der in Deutschland Asyl beantragt hat - und, dass die Entführer im Auftrag des vietnamesischen Geheimdienstes handelten. Die Version der Vietnamesen ist eine andere: Demnach habe sich Trinh freiwillig in Hanoi gestellt. Fest steht, dass die dortigen Behörden ihm nun wegen Verdachts auf massive Wirtschaftsdelikte den Prozess machen.
In Berlin ist man fassungslos über dieses Vorgehen. Vergangene Woche wies die Bundesregierung als erste Konsequenz einen Diplomaten aus. Doch das könnte nur der erste Schritt sein. »Wir behalten uns vor, gegebenenfalls weitere Konsequenzen auf politischer, wirtschaftlicher sowie entwicklungspolitischer Ebene zu ziehen«, so das Auswärtige Amt.
Harte Worte gegenüber einem Land, das Deutschland eigentlich als einen »strategischen Partner« bezeichnet und seit 2015 mit 220 Millionen Euro Entwicklungshilfe unterstützt hat. 2016 ist das Handelsvolumen zwischen beiden Staaten um mehr als 20 Prozent auf über zehn Milliarden US-Dollar angestiegen. Bis 2020 soll es sich laut einer Vereinbarung beider Länder verdoppeln.
Die Schockwellen erreichen auch die deutsche Wirtschaft in Vietnam. Sollte sich die Entführung tatsächlich ereignet haben, sei massiv Vertrauen zerstört worden, sagt Marko Walde, Chef der Deutschen Auslandshandelskammer (AHK) in Vietnam. Zwar seien die wirtschaftlichen Investitionsbedingungen stabil. »Der Vorfall zeigt aber, dass es augenscheinlich Konstellationen gibt, bei denen sich Teile der staatlichen Verwaltung über rechtliche und international anerkannte Standards hinwegsetzen«, kritisiert er. Das sei beunruhigend.
Die Festnahme wirft ein Schlaglicht darauf, mit was für einem kompromisslosen Regime Deutschland Geschäfte macht. Trinh ist nicht die einzige Festnahme, die in diesen Tagen in Vietnam Schlagzeilen macht. Erst am Wochenende haben Polizisten vier Aktivisten festgenommen, denen die Planung eines Staatsstreiches zur Last gelegt wird. Trinh soll als Chef des staatlichen Unternehmens Petrovietnam Construction Cooperation mehr als 100 Millionen Euro veruntreut haben. Angesichts der grassierenden Korruption in den großen Staatsbetrieben überrascht das nicht.
Die Bundesregierung fordert, dass Trinh nach Deutschland zurückgebracht wird, damit sein Asylverfahren weiter geprüft werden kann. Doch eine Auslieferung gilt als unwahrscheinlich: Die staatlichen Medien in Vietnam feiern die Festnahme als Schlag gegen Korruption. In Vietnam droht ihm die Todesstrafe.
Damit könnte ein diplomatisches Scharmützel beginnen, das die wirtschaftliche Zusammenarbeit zumindest abbremsen könnte. Neben Singapur ist Vietnam das einzige Land der südostasiatischen Staatengemeinschaft, mit dem die EU bereits ein Freihandelsabkommen vereinbart hat. Der Bundestag muss den Vertrag aber noch ratifizieren.
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