China hat den Hebel in der Hand

Peking will die Existenz Nordkoreas weiter schützen - doch droht eine Kollision mit den USA

  • Finn Mayer-Kuckuk, Peking
  • Lesedauer: 4 Min.

China macht diesmal grundsätzlich mit: Entsprechend der UN-Resolution Nummer 2371 wird auch Nordkoreas letzter verbliebener Wirtschaftspartner seinen Handel mit der neuen Atommacht einschränken. Doch Peking tut das nur unwillig. »Wir sind bereit, den Preis zu bezahlen«, sagte Außenminister Wang Yi. »Aber wir wollen betonen, dass für China die höchsten Kosten entstehen.« Wang forderte Pjöngjang jedoch klar auf, der Resolution Folge zu leisten und die Raketentests einzustellen. Kein Wunder, schließlich befindet sich nach Peking längst auch Schanghai in Reichweite nordkoreanischer Raketen und Atombomben.

Die chinesische Regierung will vor allem eines: Stabilität in der Region. Es läuft derzeit gut für das Land. Der Aufstieg zur größten Wirtschaftsmacht geht zügig voran, und außenpolitisch hat man so viel Gewicht wie nie zuvor. Krieg und Chaos vor der eigenen Haustür wären da mit Sicherheit schädlich. Eigentlich soll alles so bleiben, wie es ist. Gerade deshalb dreht China dem Regime von Kim Jong Un nicht komplett den Saft ab. Denn ein Zusammenbruch Nordkoreas käme Peking extrem ungelegen. Mögliche Folgen wären eine Panikreaktion Kims inklusive Atomangriff auf Nachbarn, eine riesige Flüchtlingswelle und eine regionale oder weltweite Wirtschaftskrise.

Der bilaterale Handel geht also vorerst weiter: Im ersten Halbjahr 2017 haben die beiden Länder Waren im Wert von 2,6 Milliarden Dollar ausgetauscht, wie die chinesische Statistik zeigt. Das sind zehn Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Wegen der Sanktionen dürfte der Wert im zweiten Halbjahr zwar deutlich sinken - aber nicht auf null. »Die Sanktionen werden vor allem Nordkoreas Exporte nach China erheblich einschränken«, sagt Rajiv Biswas, Chefökonom Asien-Pazifik bei der Beratungsfirma IHS Markit.

Schon jetzt liefere das Land kaum noch Kohle nach China, so Biswas. Zusammen mit einer Dürre im Frühjahr sei für das Gesamtjahr eine Rezession in Nordkorea wahrscheinlich. Es drohen weiterhin »Armut und Elend«, da 40 Prozent der Bevölkerung bereits unterernährt seien und 70 Prozent nur dank Lebensmittelhilfe aus dem Ausland überlebten. Die Wirtschaftsleistung Nordkoreas liege 95 Prozent unter der Südkoreas.

Auf diesem Niveau müsste Nordkorea sich jedoch weiter durchschlagen können, glauben Beobachter. »Es gab immer wieder Spekulationen, dass dies nun aber wirklich das Ende des Regimes sein müsste. Es hat aber immer überlebt«, betont Narushige Michishita, Regionalexperte am National Graduate Institute for Policy Studies (Grips) in Tokio. »Die nordkoreanische Wirtschaft ist natürlich in einem schrecklichen Zustand, aber das ist so eine Art Dauerzustand.«

Anders als in anderen Ländern sei kein Aufstand der Bevölkerung zu erwarten, wenn die Regierung sie durch fortgesetztes Missmanagement arm hält, sagt Michishita. »Den Leuten dort fehlt weiterhin der Vergleich mit anderen Wirtschaftssystemen.« Es gibt fürs Volk kein Internet und kein ausländisches Fernsehen - dafür aber reichlich Propaganda. Und die sagt, dass die Nordkoreaner im Paradies lebten, während die Arbeiter in Japan und den USA in Elend und Ausbeutung dahinvegetierten. Mit der Atomwaffe in den Händen fühlt sich Kim nun sicher. Er wird versuchen, die Sanktionen nicht nur auszusitzen, sondern am Ende mehr zu bekommen als je zuvor - und zwar als Belohnung für vorsichtige Abrüstung. Es ist nicht zu erkennen, warum das nicht so kommen sollte - außer die USA greifen Nordkorea vorbeugend an.

Große Gefahr gehe daher von einem möglichen Konflikt USA-China aus, warnen Experten. »Der Wegfall des geostrategischen Puffers, den Nordkorea bietet, ist eine Schreckensvorstellung für die chinesische Führung«, schreibt etwa Politikprofessor Minxin Pei. China werde einen US-amerikanischen Eingriff im eigenen Einflussgebiet nicht tolerieren. Das ist einer der Gründe, warum die Volksbefreiungsarmee so viele Kriegsschiffe im Nordosten zusammenzieht. Es geht nicht nur darum, Nordkorea einzugrenzen - sondern auch darum, die Amerikaner abzuschrecken. Aus chinesischer Sicht ebenfalls inakzeptabel: US-Sanktionen gegen chinesische Firmen, die mit Nordkorea Handel treiben. Die Unternehmen tun dies stets mit Billigung Pekings. Einen Eingriff kann China nicht dulden - schließlich gehört zur Legitimation der Kommunistischen Partei, nie wieder Schwäche gegenüber dem Ausland zuzulassen. Kommt es zu solchen Strafmaßnahmen, könnte Peking seinerseits US-Unternehmen wie Chrysler und Boeing mit Sanktionen treffen.

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