Dudens? Dudi? Dudata?

Sieben Tage, sieben Nächte: Wolfgang Hübner über die neueste Auflage eines Klassikers

Wir müssen noch einmal auf den Duden zurückkommen. Er ist in dieser Woche neu erschienen und das hat für einiges Aufsehen gesorgt. Zwar bildeten sich um Mitternacht keine Schlangen vor den Buchhandlungen, um wie bei den Harry-Potter-Premieren die allerersten Exemplare zu ergattern. Keine Duden-Fans tigerten, verkleidet mit Doktorhüten und ausgerüstet mit Federkielen, durch die Innenstädte, um das Ereignis zu feiern und sich schon mal auf die nächste Verfilmung zu freuen.

Aber immerhin gibt es ja beim Duden immer etwas Neues. Anders als etwa in der 27. Auflage des »Zauberberg« hat sich in der 27., »völlig neu bearbeiteten und erweiterten Auflage« des Duden einiges verändert. Wörter wurden aufgenommen, bei denen es Thomas Mann gegraust hätte: entfreunden beispielsweise, rumeiern oder Work-Life-Balance, deren Vortrag keine Ohrenweide (übrigens noch nicht im Duden) ist. Andererseits hätte es der Meister sicherlich goutiert, dass Unsäglichkeiten wie Ketschup und Majonäse wieder verschwunden sind - so hirnsträubend (auch noch nicht drin), wie sie waren. Stattdessen kommen Ketchup und Mayonnaise wieder zu ihrem Recht.

Der Duden ist so etwas wie ein Stabilbaukasten für Sprachbenutzer. Etwa 145.000 Wörter enthält er jetzt und man kann aus ihnen alles machen. Rezepte und Zeitungsartikel, Fahndungsaufrufe und Beipackzettel, Groschenhefte und Weltliteratur. Man schmökert nicht in ihm vor Beginn des Schlafvollzugs (fehlt noch). Aber er ist Fundgrube, Steinbruch und Kontrollinstanz. Wenn man nicht ganz sicher ist - der Duden hilft. Was für den niedersächsischen Ministerpräsidenten der VW-Vorstand, das ist für unsereins der Duden: mal unverbindlich nachfragen, ob alles so bleiben kann. Nur dass uns nach der Konsultation des Duden keine Bangeweile (ebenfalls noch nicht drin) ereilt.

Für die einen ist das betreute Regieren in Hannover ein Skandal, anderen nötigt es höchstens ein müdes (Achtung: neu im Duden) Arschrunzeln ab. Apropos: Gregor Gysi beklagte passend zur Duden-Innovation in den Fachblättern »Playboy« und »Bild« den Niedergang der Freikörperkultur in Ostdeutschland. Der Mann schaut eben dem Volk aufs Maul - und wohin sonst noch auch immer.

Bleibt eine letzte Frage: Wie lautet eigentlich die Mehrzahl von Duden? Der Duden selbst gibt darüber keine Auskunft, ja, er behandelt sich selbst als Unwort, indem er sich nicht erwähnt. Wie formuliert es also ein Freund der Sprache, wenn er den bisherigen 26 Auflagen nun die 27. in seinem Bücherregal hinzugefügt hat? Ich besitze zahlreiche Duden? Dudens? Dudi? Duda? Dudata? Wir hoffen glückwärts (noch so eine Leerstelle) und inständig auf die 28. Auflage.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.