Männer schalten schlechter ab

Hans-Böckler-Stiftung: Arbeit von Zuhause aus mit selbstbestimmten Zeiten fällt vielen Beschäftigten schwer

  • Lesedauer: 3 Min.

Düsseldorf. Extrem flexible Arbeitszeiten gehen einer neuen Studie zufolge oft zulasten der Beschäftigten. Das Abschalten falle im Homeoffice oder mit völlig selbstbestimmten Arbeitszeiten besonders schwer, hieß es in der am Montag in Düsseldorf veröffentlichten Untersuchung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Vor allem Männer kämen mit zeitlicher Flexibilität abends schlechter zur Ruhe als mit festen Arbeitszeiten. »Selbstbestimmung klingt gut, ist aber auch eine Einladung zur Selbstausbeutung«, erklärten die Forscher. Selbstbestimmte, aber geregelte Arbeitszeiten führten zu weniger Belastung.

Bei Beschäftigten im Homeoffice liegt laut Studie die Wahrscheinlichkeit, abends nicht abschalten zu können, bei 45 Prozent und damit mehr als doppelt so hoch wie bei Beschäftigten, die nie zu Hause arbeiten. Offenbar verschwimmen die Grenzen zwischen den Lebensbereichen bei dieser Arbeitsweise besonders leicht. Dies gelte für Männer und Frauen gleichermaßen.

Bei völlig selbstbestimmten Arbeitszeiten falle hingegen lediglich Männern das Abschalten schwerer als bei festen Zeiten. Die Wahrscheinlichkeit liege bei 40 Prozent, dass sie abends nicht zur Ruhe kommen und damit elf Prozentpunkte höher als bei Männern mit festen Arbeitszeiten. Studienautorin Yvonne Lott führte dies darauf zurück, dass gerade Männer dazu neigten, ohne vorgegebene Grenzen übermäßig lange zu arbeiten. Frauen dagegen seien »typischerweise geübtere Grenzgängerinnen« als Männer. Sie nutzten zeitliche Flexibilität statt für unzählige Überstunden eher, um Haus- und Sorgearbeit mit dem Job unter einen Hut zu bringen, erklärte die Böckler-Expertin für Arbeitszeiten.

Nicht übermäßig belastet fühlen sich Beschäftigte der Erhebung zufolge mit selbstbestimmten, aber immer noch geregelten Arbeitszeiten. Sie könnten zudem besser mit hohem Arbeitsdruck umgehen, was sich positiv auf die Work-Life-Balance auswirke. Dies gilt aber wiederum nur für Männer. Feste Arbeitszeiten könnten mit anderen Verpflichtungen kollidieren, die sich etwa aus den Abholzeiten von Kindergärten ergeben. Andererseits bieten nach Angaben der Forscher klare Regeln Planungssicherheit, was Stress reduziere.

Hoch sei vor allem für Frauen die psychische Belastung bei unvorhersehbaren Arbeitszeiten, die der Arbeitgeber kurzfristig ändert, erklärte Lott. Unberechenbare Dienstzeiten erschwerten die Planung des Alltags enorm, worunter vor allem diejenigen litten, die traditionell den größeren Teil der Haus-, Pflege- und Erziehungsarbeit übernehmen, heißt es in der Studie, die auf Angaben von gut 10.000 Personen aus der Haushaltsbefragung Sozio-oekonomisches Panel (SOEP) der Jahre 2011 und 2012 beruht.

Angesichts der Ergebnisse sei eine von Unternehmen häufig geforderte weitere Deregulierung der Arbeitszeitbestimmungen äußerst kritisch zu sehen, erklärte Lott. Neben negativen Konsequenzen für die Work-Life-Balance verschärften solche Modelle auch die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern. Die Forscherin sprach von einem »Risiko der Traditionalisierung von Partnerschaften«, weil eine Seite - mutmaßlich meist die Frau - der anderen den »Rücken freihalten« müsse. Dennoch sei mehr Flexibilität bei der Arbeitszeit grundsätzlich vertretbar, es müsse aber klare Regeln etwa zu zeitlichen Obergrenzen und Zeiterfassung geben. epd/nd

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