Zerreißprobe für Rot-Rot-Grün
Thüringen: SPD-Chef warnt vor Scheitern der Regierungskoaltion wegen Gebietsreform
Erfurt. Wie geht es weiter mit der umstrittenen Gebietsreform in Thüringen? Die rot-rot-grüne Regierungskoalition wollte sich am Dienstag dazu verständigen - Beobachter rechneten mit einer schwierigen Sitzung bis spät in die Nacht. Bereits vor dem entscheidenden Treffen wurde der Ton im Bündnis rauer. SPD-Landeschef Andreas Bausewein drohte einem Zeitungsbericht zufolge erstmals mit dem Scheitern der Koalition.
»Die Grünen müssen sich im Klaren darüber sein, dass sie mit ihrer Verzögerungstaktik das gesamte Vorhaben gefährden - und damit in der Konsequenz auch das rot-rot-grüne Bündnis«, sagte Bausewein der »Thüringer Allgemeinen«. Linkspartei, SPD und Grüne hätten die Reform 2014 mit dem Koalitionsvertrag beschlossen und danach im Landtag und im Kabinett mit Leitbild und Vorschaltgesetz einmütig untermauert, erinnerte Bausewein. Er forderte den kleinen Koalitionspartner zur Vertragstreue auf: »Alle grünen Parteichefs, Abgeordnete oder Minister stimmten jedes Mal dafür. Das kann man jetzt nicht einfach ignorieren.«
Beim Treffen am Dienstag wollten die Sozialdemokraten einen Fahrplan vorlegen, um das Vorhaben noch zu retten. Zuletzt hatten vor allem SPD und Grüne verschiedene Vorstellungen von dem Großprojekt, das nach einem Urteil des Verfassungsgerichtshofes seit Wochen auf Eis liegt. Die Zeit drängt: Im kommenden Jahr stehen turnusgemäß Landratswahlen an.
Die SPD liebäugelt damit, diese Wahlen um ein Jahr zu verschieben. So will sie den Neuzuschnitt der Kreise noch in dieser Legislaturperiode bis 2019 ermöglichen. Die Grünen allerdings lehnen eine Kreisreform unter Zeitdruck ebenso ab wie eine Verlängerung der Amtszeit der Landräte. Die LINKE stellte am Montagabend klar, dass sie einen Neuzuschnitt der Landkreis noch in dieser Legislaturperiode will. Dazu sollen auch die Amtszeiten der Landräte um ein Jahr bis 2019 verlängert werden. Rund 100 Vertreter der Partei stimmten am Montagabend in Erfurt mit großer Mehrheit einem entsprechenden Antrag der Landesspitze zu, wie ein Sprecher der dpa sagte.
»Wir stehen weiterhin zur Notwendigkeit der Gebietsreform«, erklärte Landeschefin Susanne Hennig-Wellsow. Dem Antrag zufolge soll die Neubildung der Landkreise gesetzlich geregelt werden und bis zum 1. Juli 2019 erfolgen. Die Beratung des Gesetzentwurfs solle unter »weitestgehender Einbeziehung« der Öffentlichkeit sowie kommunaler Spitzenverbände und der kommunalen Mandatsträger bis Ende 2018 geschehen. In diesem Zusammenhang sei eine Angleichung der Wahlen der Landräte und der Kreistage vorzunehmen. Hennig-Wellsow erklärte jedoch auch, ihre Partei werde nicht dogmatisch an dem Beschluss vom Montagabend festhalten. »Aber wir halten daran fest, dass wir eine politische Entscheidung für die Kreisgebietsreform wollen.«
Auf Verpflichtungen zu Gemeindefusionen will die LINKE zunächst verzichten. Eine freiwillige Gemeindegebietsreform solle jedoch weiter verfolgt werden und alle korrekten Anträge sollten bewilligt werden. Ein Konzept für die pflichtigen Gemeindeneugliederungen sei noch zu erarbeiten, heißt es.
Zuständig für die Umsetzung der Gebietsreform, die die rot-rot-grüne Landesregierung 2014 vereinbart hat, ist Innenminister Holger Poppenhäger (SPD). Mit seinem Management der Reform ist die LINKE jedoch offensichtlich unzufrieden. Nicht umsonst fordert die Partei in einem Punkt des Antrags vom Montagabend, zur Umsetzung der Reform sei die Stelle eines zuständigen Staatssekretärs mit Kabinettsrang zu schaffen. »Ich glaube, es ist deutlich, dass wir bei der Verantwortung einen Neustart machen müssen«, sagte Hennig-Wellsow. dpa/nd
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