Fedidwgugl und Klinkenputzen
Wie die Parteien in den Bundestagswahlkampf ziehen und was sie dafür ausgeben
Wer demnächst an die Tür geklingelt wird, um Argumente für eine Wahl der CDU entgegenzunehmen, lebt in einem besonderen Gebiet. Die Union hat nämlich per Spezialsoftware ermitteln lassen, wo sich solcher Aufwand lohnt. Das kann vieles bedeuten - aber ganz sicher eins: Die Aufgesuchten leben nicht in einer derjenigen Zonen, die die Parteiendemokratie aus guten statistischen und schlechten politischen Gründen abzuschreiben im Begriff ist - nämlich in armen Stimmbezirken. Dort liegt, wie 2013 eine Bertelsmann-Studie belegte, die Wahlbeteiligung um bis zu 30 Prozent unter derjenigen in den wohlsituierten Habitaten. Wie viel die CDU dafür ausgibt, ist nicht bekannt. Insgesamt will die Partei 20 Millionen Euro aufwenden. An der Strategie werkelt die renommierte Agentur Jung von Matt, die für den Leitsatz »Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben« bereits mit Spott bedacht wird - speziell für die Internetverschlagwortung zu dem Zungenbrecher »fedidwgugl«.
Eine »App« für das lohnende Klinkenputzen leistet sich auch die SPD, die laut Generalsekretär Hubertus Heil 24 Millionen Euro in die Schlacht wirft. Die Zentrale heißt wieder »Kampa« - eingedenk der erfolgreichen Kampagne anno 1998. Beraten wird man von der Agentur KNSK, die auch für Borussia Dortmund tätig ist. Ob aber jene »Echte Liebe«, die sich die schwarzgelbe Fußball-Aktiengesellschaft auf die Fahne schreiben ließ, auch für sperrige rote Slogans aufkommen wird - wie etwa: »Zum Land der Dichter und Denker passt eine Politik, die in Ideen investiert«? Klar macht der Claim immerhin, auf wen man nicht zielt: auf Bildungsbürger, die wissen, dass das geflügelte Romantikerwort von den Dichtern und Denkern historisch nicht zu jener Start-up-Affinität passt, die der daneben abgebildete Roboter signalisieren soll. Sondern im Gegenteil einen Nationalcharakter beschwört, der nicht auf »angelsächsische Geschäftigkeit« abstellt, sondern auf grüblerische »Tiefe«.
Auffallend an der SPD-Kampagne ist bisher eine Diskrepanz zwischen offline und online. Während der klassische Wahlkampf betulich bleibt, um - wie Heil jüngst sagte - niemandem Angst zu machen, kommen die Internetaktivitäten streitlustiger daher. Kurze Clips befleißigen sich der ansonsten offenbar verpönten Taktik vergleichender Werbung und zeigen auf, was die Union in den vergangenen Jahren alles »blockiert« habe. Oder reißen eine Nebensatzpointe Angela Merkels aus dem Kontext und nutzen das Erstaunen, das dieses Zitat so auslöst, um die Rentenbotschaft der SPD zu platzieren.
In die Klassikerkiste greifen auch die Bündnisgrünen mit ihrem Slogan »Umwelt ist nicht alles, doch ohne Umwelt ist alles nichts«. Im Original dreht sich die Sentenz um Gesundheit - und sie stammt von Arthur Schopenhauer. Besser noch wäre ein anderer Aphorismus des bekennenden Menschenverächters gewesen: »Seitdem ich die Menschen kenne, liebe ich die Tiere« - als populäre Überschrift für die Agrarpolitik?
Während bei den Grünen die 5,5 Wahlkampfmillionen von einer Ad-hoc-Agentur verbraten werden, die schon in der Selbstbezeichnung eben nur »Ziemlich beste Antworten« verspricht und eine verstärkte Internetaktivität zu Wahlkampfschluss androht, geht die 6,5-Millionen-Kampage der Linkspartei mit DiG/Trialon ins Rennen. Die Agenturgemeinschaft ist bereits seit 2005 für PDS beziehungsweise die LINKE tätig und prägte in verschienenen Bundes- wie Länderkampagnen deren Plakatoptik. Laut Wahlkampfchef Matthias Höhn soll eine »frische« Kampagne Lust auf Links machen. Das sieht auf dem ersten großen Großplakat so aus, dass der Satz »Keine Lust auf Weiterso - Die Linke« mit schwarzen Balken durch die Wörter »Keine« und »Weiterso« in den Claim »Lust auf - Die Linke« korrigiert wird - originell oder doch nur gewollt? Bundesweit sollen 400 000 Plakate für Themen von Kinderarmut über Frieden bis Millionärssteuer sensibilisieren.
Dass auf Kampagnen der FDP, die sich als politischer Arm der »Kreativwirtschaft« geriert, viel Aufmerksamkeit ruht, ist Bürde wie Bonus der Neoliberalen. Wurde der 2014 bei der Agentur »Heimat« bestellte imagemäßige Neuaufbau der Partei mit seinem Farbwechsel zu Magenta oder Slogans wie »German Mut« zunächst belächelt, sind nun die Fachorgane von den ersten Zeugnissen der Fünf-Millionen-Kampagne angetan. Etwa von einem Clip, in dem Parteichef Christian Lindner eine Spracherkennungssoftware mit deutschen Gesetzestexten malträtiert.
Die AfD schließlich wird mit ihren 3,5 Millionen Euro in einer dem Zustand der Partei adäquaten Art um Wähler buhlen - nämlich zweigleisig. Eine vom Vorstand präferierte Kampagne der Agentur »Kunkelbakker« müht sich um eine weiche Verpackung, während Motive der Bayern-AfD expliziter daherkommen. So zeigt etwa die für die Rechtspopulisten wichtige Anti-Burka-Botschaft in der Softvariante Bikinimodels - und bei den Bayern ein Schleiergesicht in Terroroptik. Medienberichten zufolge dürfen die Landesverbände zwischen den beiden Linien wählen.
Über die Wahl wird viel gesprochen - das allein ändert noch nicht die Verhältnisse. Wir schlagen im Wahlkampf eine Schneise in die Schwafelei. Lesen Sie mit auf unserer Spezialseite zur Bundestagswahl 2017
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