Unter den Augen von Geheimdiensten und der Guardia Civil
Polizeiliche Mittel konnten die Bildung neuer islamistischer Zellen nach den Anschlägen von 2004 nicht verhindern
Die spanische Regierung war stolz auf ihre Antiterrormaßnahmen. Ähnliche islamistische Anschläge wie jüngst in Frankreich, Belgien, Großbritannien und Deutschland seien im eigenen Land durch Verhaftungen verhindert worden. Man tat so, als wären erfolgreich Lehren aus den schwersten Anschlägen in der neueren spanischen Geschichte gezogen worden. Am 11. März 2004 ermordeten Islamisten im Namen von Al-Qaida zur Stoßzeit in Madrid mit Bomben in vier Vorortzügen 191 Menschen. Die Anschläge in Barcelona und Cambrils in Katalonien haben aber am Donnerstag gezeigt, dass von Sicherheit keine Rede sein kann.
Die rechte Regierung der Volkspartei (PP) in Madrid setzt auf polizeiliche Mittel und gaukelt vor, damit den Terrorismus ausmerzen zu können. Doch unter den Augen von Geheimdiensten, Guardia Civil und Polizeieinheiten konnten sich neue Zellen bilden, die offenbar gut koordiniert waren. Dabei hat Moussa Oukabir Soprano, der mutmaßliche 17-jährige Fahrer des Lieferwagens in Barcelona, nie Geheimnisse aus seinen Mordplänen gemacht. Öffentlich forderte er vor fast zwei Jahren, man solle »Ungläubige töten, um nur Muslime übrig zu lassen, die der Religion folgen«.
Es war vor allem Glück, dass es am Donnerstag nicht viel schlimmer kam. Geplant war nach Ansicht der Ermittler auch ein Bombenanschlag. Entweder sollte der Lieferwagen in eine Bombe verwandelt und nach der Todesfahrt gezündet oder der zweite Lieferwagen zur Bombe verwandelt werden. Jener wurde angemietet, ist aber unbenutzt gefunden worden.
Experten hatten gewarnt, dass sich in Spanien geborene Islamisten radikalisieren. Das zeigte schon die Tatsache, dass sich etliche dem Kampf des IS in Syrien angeschlossen hatten.
Nach dem Schock ist der Moment noch nicht gekommen, über das Polizeiversagen zu debattieren. Dazu brauchte es vor 13 Jahren auch Zeit. Damals wurden die Hintergründe nie wirklich aufgeklärt, auch nicht die Verwicklungen der Sicherheitskräfte und deren Spitzel, die sogar den Sprengstoff geliefert hatten. Man versucht nun aber, anders als 2004, über alle politischen Widersprüche hinweg Einigkeit zu demonstrieren. Obwohl katalanische Politiker wegen des angekündigten Referendums über die Unabhängigkeit am 1. Oktober mit juristischer Verfolgung bedroht werden, wird ein Bild der Geschlossenheit gegen den »gemeinsamen Feind« gezeigt, wie es die katalanische Parlamentspräsidentin Carme Forcadell sagte. Forcadell selbst ist schon angeklagt. Gemeinsam mit König Felipe und Regierungschef Mariano Rajoy zeigte sich auch der katalanische Präsident Carles Puigdemont im Gespräch, entgegen der üblichen Funkstille. Die katalanische Gesellschaft hat aus den Vorgängen gelernt und will keine Islamophobie wie einst aufkommen lassen. Auf die Konfrontationsstrategie will man nicht hereinfallen.
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