Flaschensammler haben keine Lobby

Wer sich mit Pfand etwas dazuverdienen möchte, kämpft meist für sich allein und kennt keine Anerkennung

  • Katharina Schwirkus
  • Lesedauer: 4 Min.

»Ich lebe in der Nähe der Hermannstraße und komme im Sommer jeden Abend auf das Tempelhofer Feld, um Flaschen zu sammeln«, sagt Telo. Seinen ganzen Namen möchte er nicht in einer Zeitung lesen. Er werde sowieso nur noch Telo genannt, erzählt er und zeigt auf sein Namens-Tattoo auf dem Unterarm. »Ich sammle sehr gerne Flaschen, schreib das in den Artikel«, sagt er auf Italienisch, Deutsch spricht er kaum. Er kommt aus Rumänien, lebt aber schon lange in Berlin und ist obdachlos. »Wenn es gut läuft, verdiene ich auch mal zehn Euro an einem Abend, aber in der Regel sind es nicht mehr als fünf«, sagt er.

Mara Fischer, Vorstandsvorsitzende von mob e.V., hat jeden Tag mit Menschen wie Telo zu tun. »Unionsbürger, die nicht leistungsberechtigt sind, verdienen sich mit dem Flaschensammeln ihr Geld«, sagt sie. Der Verein mob e.V. setzt sich für Obdachlose in der Hauptstadt ein und ist Herausgeber der Zeitung »Strassenfeger«. Aktuell lädt der Verein Menschen auf seiner Homepage dazu ein, vor den Bundestagswahlen eine Nacht auf der Straße zu verbringen und Obdachlose kennenzulernen. »Bisher haben sich schon 200 Menschen angemeldet, am 15. September vor unserer Notunterkunft zu übernachten. Auch bei unseren Klienten wird das Projekt begrüßt«, sagt Fischer. Viele Menschen hätten ein falsches Bild von Obdachlosen, mit der Kampagne »Sleep out Berlin« wolle man Aufklärung betreiben und auch auf die Situation der Helferorganisationen aufmerksam machen. Oftmals finanzieren sich diese nur aus Spenden und erhalten keinerlei staatliche Leistungen.

»Ich habe vor zwei Jahren aufgehört, auf der Straße Flaschen zu sammeln, weil ich viel angepöbelt wurde«, sagt eine Rentnerin aus Berlin, die auf der Internetseite www.pfandgeben.de angemeldet ist und ebenfalls anonym bleiben möchte. Das Portal ist seit 2011 online und bietet Menschen in ganz Deutschland die Möglichkeit, sich mit einer Handynummer anzumelden. Sie können dann von sogenannten Pfandgebern angerufen werden, die ihre Flaschen gerne an sie abgeben möchten.

»Ich hole die Flaschen zusammen mit einer Freundin ab, weil man ja auch nie weiß, wer einen da anruft und was einen erwartet«, erzählt die Rentnerin. Ihre Freundin sei 64 Jahre alt und beziehe Grundsicherung, sie selbst habe im öffentlichen Dienst gearbeitet und ihre Rente sei daher »ein bisschen besser«.

Es klingt etwas skurril, aber offenbar ist die Internetseite erfolgreicher als die Pfandflaschenkisten-Initiative, die der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf vor gut zwei Jahren ins Leben gerufen hatte. Auf einen Vorschlag der Grünen hin hatte der Bezirk in einem Pilotprojekt gemeinsam mit der Berliner Stadtreinigung (BSR) und dem Jobcenter Körbe für Pfandflaschen aufgestellt. Am Hardenbergplatz und am Rathaus Spandau standen die Behälter, die Menschen dazu aufriefen, ihr Pfandgut für Sammlerinnen und Sammler abzustellen. »Es war schwierig, ein allgemein verständliches Logo zu finden«, sagt Bezirksstadtrat Carsten Engelmann (CDU). Daher habe sich in den Behältern oftmals Müll angesammelt. Er selbst halte die Initiative aber weiter für sinnvoll: »Allein schon, damit die Menschen nicht mehr in die Mülleimer reinkrabbeln müssen.« Am Ende sei die Initiative aus finanziellen Gründen gescheitert. »Die Frage, wer kümmert sich um die Entfernung bei einer Zweckentfremdung der Behälter, konnte nicht abschließend geklärt werden, und deswegen liegt das Projekt jetzt erst mal auf Eis«, sagt Engelmann. Die BSR wollte die Kosten für die Pflege der Behälter nicht alleine übernehmen. »Ich selbst hatte mich für eine Ausweitung des Projekts eingesetzt«, sagt Engelmann. Die Wiederaufnahme der Initiative sei aber unklar. Es müsse erst der Haushaltsplan für 2018/2019 vom Senat beschlossen werden. »Klar ist aber auch, wenn das Projekt vom Bezirk finanziert werden soll, müssen wir an anderer Stelle sparen.«

Mittlerweile tut sich in Berlin auch ein neues Problem auf: »In vielen Supermärkten kann man nur noch 20 Flaschen auf einmal abgeben«, sagt die Rentnerin, die das Pfand bei Leuten abholt, die sie über die Internetseite Pfandgeben.de anrufen. Für die Pfandsammler sind durch diese Maßnahme der Ladenbesitzer wichtige Annahmestellen weggefallen. Die Rentnerin berichtet, dass sie aus diesem Grund nicht mehr in den Rewe am Kottbusser Tor oder zu Lehmann in der Prinzenstraße gehe. »Wir laufen manchmal zu Läden, die weiter weg sind von unseren Abholorten, damit wir uns Ärger ersparen.« Sie könne es aber auch verstehen, wenn Menschen hinter ihr ungeduldig werden, wenn sie gerade mehrere Flaschen abgibt. Wenn sie merke, dass jemand hinter ihr warte, lasse sie die Personen sofort vor.

»So oft klingelt mein Handy nicht«, sagt die Rentnerin. »Aber die Menschen, die anrufen, freuen sich, etwas geben zu können.« Auf die Spenden solcher Menschen setzt auch Mara Fischer. Doch mit der »Sleep out Berlin«-Kampagne sollen ebenso politische Forderungen laut werden. »Niedrigschwellige Träger wie wir müssen mehr Unterstützung vom Staat bekommen«, sagt Fischer. An den zentralen Eingängen zum Tempelhofer Feld stehen mittlerweile ebenfalls selbst gebastelte Pfandkästen, deren Pflege bisher selbstverwaltet funktioniert.

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