Istanbuler Gericht verlängert Haft von Mesale Tolu

Journalistin soll bis zum Prozessbeginn in der Türkei inhaftiert bleiben / Botschafter besuchte Steudtner und Yücel

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Berlin. Ein Richter in Istanbul entschied, dass die Journalistin und Übersetzerin Mesale Tolu bis zum Beginn ihres Prozesses im Oktober in Untersuchungshaft bleiben muss. Dies teilte Reporter ohne Grenzen unter Berufung auf eine Anwältin Tolus in Berlin mit. Die Entscheidung sei mit Fluchtgefahr begründet worden. Der 33-jährige Journalistin werden unter anderem Mitgliedschaft in einer Terrororganisation und Verbreitung von Terrorpropaganda vorgeworfen. Der Prozess gegen sie soll am 11. Oktober im Silivri-Gefängnis nahe Istanbul beginnen, ihr drohen bis zu 15 Jahre Gefängnis.

Tolu wurde am 30. April in Istanbul festgenommen und ist seit dem 5. Mai im Frauengefängnis Bakirköy in Haft, später konnte ihr zweieinhalbjähriger Sohn zu ihr ziehen. Die Journalistenorganisation forderte die türkische Justiz auf, Tolu sofort freizulassen.

Derweil hat erstmals der deutsche Botschafter in der Türkei, Martin Erdmann, mit dem Menschenrechtler Peter Steudtner in einem Gefängnis nahe Istanbul sprechen können. Zudem traf der Diplomat erneut den inhaftierten Journalisten Deniz Yücel. Aus dem Auswärtigen Amt hieß es in der Nacht zu Mittwoch weiter, die Gespräche seien intensiv gewesen und hätten jeweils über eine Stunde gedauert. Den beiden gehe es den Umständen entsprechend gut. Mesale Tolu sollte am Mittwoch vom deutschen Botschafter Besuch bekommen.

Der Berliner Menschenrechtsaktivist Steudtner war am 5. Juli in der Türkei festgenommen worden. Der »Welt«-Korrespondent Yücel, der die deutsche und die türkische Staatsbürgerschaft besitzt, war am 14. Februar in Polizeigewahrsam genommen worden, nachdem er sich selbst den Behörden gestellt hatte. Die Justizbehörden werfen beiden Männer die Unterstützung terroristischer Organisationen vor.

Die Vizepräsidentin des Bundestags, Claudia Roth (Grüne), sprach sich für eine harte Linie gegenüber dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan aus. »Es braucht eine klare Ansage der Bundesregierung, dass wir den immer repressiveren Kurs Erdogans nicht länger akzeptieren«, sagte Roth dem Evangelischen Pressedienst (epd). Man müsse den Präsidenten spüren lassen, dass man nicht erpressbar sei.

Roth forderte unter anderem ein Ende des Flüchtlingsabkommens zwischen der EU und der Türkei. Zudem sprach sie sich für ein Ende von Rüstungsexporten in die Türkei aus. »Ein Land, in dem die Menschenrechte mit Füßen getreten werden und das im Südosten einen Krieg gegen die eigene Bevölkerung führt, kann keine Waffenlieferungen bekommen.« Außerdem plädierte sie für wirtschaftliche Sanktionen.

Mit Blick auf den Fall des zwischenzeitlich in Spanien festgesetzten Intellektuellen Dogan Akhanli forderten sowohl Roth als auch der CSU-Bundestagsabgeordnete Bernd Fabritius eine Reform der Interpol-Regeln. Die internationale Polizeibehörde müsse »wirksame Vorfilter« entwickeln, um dem Missbrauch der sogenannten Red Notices durch Staaten wie die Türkei zu begegnen, sagte Fabritius dem epd.

Akhanli, ein Deutscher mit türkischen Wurzeln, war auf eine von Ankara bei der internationalen Polizeibehörde eingestellte Red Notice hin während eines Urlaubs in Spanien festgenommen worden und darf Madrid derzeit nicht verlassen. epd/nd

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