LINKE wird beim Klimaziel gepackt

Diskussion über CO2-Ausstoß lässt sich nicht aus dem Bundestagswahlkampf heraushalten

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Verein Campact nutzt die günstige Gelegenheit für eine Kampagne. Gegen das von Brandenburgs Wirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD) geplante Abschmelzen der Klimaschutzziele des Bundeslandes sollen die Bürger Einspruch erheben - per E-Mail, Facebook und Twitter an Katja Kipping, Bernd Riexinger, Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch, also an die Bundesvorsitzenden und an die Fraktionschefs der Linkspartei im Bundestag.

Campact liefert einen Textvorschlag für die Nachrichten: »Raus aus der Kohle, Übergänge gerecht gestalten«, damit werbe die LINKE um Stimmen bei der Bundestagswahl. »Doch in Brandenburg trägt die LINKE die Kohlepolitik der SPD mit und will die Klimaziele des Bundes abschwächen.« Man dürfe jedoch keinen Dominoeffekt zulassen, der den deutschen Klimaschutz zu Fall bringe. »Sorgen Sie dafür, dass die SPD mit ihrer Pro-Kohle-Politik nicht durchkommt!«, sollen die vier Spitzenpolitiker aufgefordert werden.

Zur Erläuterung an die Bürger heißt es: »Im Wahlkampf für den Klimaschutz trommeln, in Regierungsverantwortung Klientelpolitik für die Kohlekonzerne machen - bei diesem Widerspruch können wir die LINKE packen!« Jeder Tweet, jeder Facebook-Kommentar und jede E-Mail werde den Parteichefs Sorge um die eigene Glaubwürdigkeit bereiten.

Der Anlass für diese Kampagne: Ursprünglich wollte Brandenburg bis zum Jahr 2030 den Kohlendioxidausstoß um 72 Prozent verringern, wobei der Wert aus dem Jahr 1990 als Basis für die Berechnung genommen wird.

Wirtschaftsminister Gerber ist nun zu der Überzeugung gelangt, dass dies nicht mehr zu schaffen sei. Er möchte das Ziel für die Reduzierung des CO2-Ausstoßes auf 55 bis 62 Prozent herunterkorrigieren - obwohl die 72 Prozent in dem Koalitionsvertrag stehen, den SPD und LINKE nach der Landtagswahl 2014 geschlossen haben.

Die frühere Umweltministerin Anita Tack (LINKE) ist entschieden gegen Gerbers Absichten. René Schuster von der Grünen Liga versichert: »Eine Aufweichung des Klimazieles ist selbst dann nicht notwendig, wenn die Einsparziele bei Verkehr und Industrie verfehlt werden.«

Doch Brandenburgs Linksfraktionschef Ralf Christoffers hat bereits vor Wochen mündlich in einer Pressekonferenz bedauert, das ursprünglich gesetzte Klimaziel lasse sich wahrscheinlich wirklich nicht mehr rechtzeitig erreichen. Damit ist er im »nd« zitiert worden. Über einen wenige Tage später schriftlich niedergelegten Vermerk hat jetzt erst die »Süddeutsche Zeitung« berichtet und erst seitdem wird nun Kritik an der Einschätzung von Christoffers laut.

Vorher richtete sich die Empörung gegen den SPD-Wirtschaftsminister. Schließlich ist es Gerber gewesen, der mehrfach darauf drang, das Klimaschutzziel in der Energiestrategie des Landes anzupassen.

LINKE-Landeschef Christian Görke versuchte, die Gemüter zu beruhigen und das Thema aus dem Bundestagswahlkampf herauszuhalten. »Energie- und Klimapolitik wird in meiner Partei traditionell heiß diskutiert«, bemerkte er. Einen »Schnellschuss« werde es »mit uns nicht geben«. Man werde sich intensiv mit der Sache auseinandersetzen, sich dafür die notwendige Zeit nehmen. Am Ende werde man sich »Fakten, Papiere und Wortmeldungen in Ruhe ansehen und zu einem Ergebnis kommen«. Die Diskussion werde ihren Abschluss finden, »wenn klar ist, wie die bundespolitischen Weichenstellungen ab dem 24. September aussehen«.

Doch die politische Konkurrenz hat ein Interesse daran hat, dass unbedingt noch vor dem 24. September weiter gestritten wird. So höhnte der CDU-Landtagsabgeordnete Dierk Homeyer, Energiepolitik sei »eine der großen Lebenslügen« der Linkspartei. Der Basis werde »eine gänzlich andere Position vorgegaukelt, als die Parteispitze aus purem Machtinteresse vertreten möchte«. Die LINKE müsse endlich ihr Verhältnis zur Braunkohle klären. »Der wahlkampfbedingte Schlingerkurs der Partei sorgt für Verunsicherung im Lausitzer Revier«, berichtete Homeyer. Dann sagte er die Sätze, auf die es hier ankommt: »Die Kumpel wollen wissen, woran sie sind. Die CDU steht fest an ihrer Seite, aber keiner weiß, wofür die LINKE steht.«

Die Freien Wähler unterstellen SPD und LINKE, diese hätten absichtlich nicht widersprochen, wenn die Windkraftlobby den Bürgern wahrheitswidrig eingeredet habe, die Windenergie sei ein Mittel gegen die Braunkohle. Tatsächlich seien in den vergangenen 20 Jahren in Brandenburg Windkraftanlagen mit einer Nennleistung von zusammen 7000 Megawatt gebaut worden und es habe nichts gebracht, rechnete Robert Soyka vor, der als Referent der Freien Wähler im Landtag tätig ist. Die CO2-Emmissionen aus der Braunkohle seien heute praktisch so hoch wie vor 20 Jahren.

Am Freitag stellten die LINKE-Bundesvorsitzenden Kipping und Riexinger in einer Reaktion auf die Campact-Aktion gemeinsam mit dem Landesvorsitzenden Görke klar, mit ihrer Partei gebe es »kein Zurück beim Klimaschutz«. Die LINKE werde »keine gemeinsame Sache mit der Kohlelobby machen«.

Über die Wahl wird viel gesprochen - das allein ändert noch nicht die Verhältnisse. Wir schlagen im Wahlkampf eine Schneise in die Schwafelei. Lesen Sie mit auf unserer Spezialseite zur Bundestagswahl 2017

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.