Abschieben in den Krieg
Bundesregierung weist Wiederaufnahme der Asylverfahren von Afghanen an - trotz katastrophaler Lage
Am Freitag erreichte der Bürgerkrieg in Afghanistan erneut die Hauptstadt Kabul. Kämpfer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) töteten bei der Erstürmung einer vollbesetzten Moschee mindestens 20 Menschen. Mindestens 40 Menschen seien verletzt worden, sagte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums, Ismail Kawusi, am frühen Freitagabend (Ortszeit) laut Deutscher Presse-Agentur. Die Zahlen könnten aber noch steigen. Ambulanzen brächten weiterhin Menschen in die Krankenhäuser. Beobachter hatten in den sozialen Netzwerken von Explosionen in weiteren Moscheen berichtet.
Die Abschiebepolitik der Bundesregierung scheint von der zunehmenden Unsicherheit am Hindukusch nicht beeinflussbar zu sein. Vor wenigen Tagen erst hatten die USA angekündigt, die Zahl ihrer Soldaten wieder zu erhöhen. Nach schweren Zerstörungen an der deutschen Botschaft in Kabul durch einen Bombenanschlag Ende Mai waren die Entscheidungen über die Asylanträge afghanischer Flüchtlinge ausgesetzt worden. Eine aktualisierte Lagebeurteilung des deutschen Außenministeriums sollte abgewartet werden.
Diese ist nun erfolgt. Mit dem Ergebnis, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) wieder über Asylanträge von Afghanen entscheidet, wie Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) der Deutschen Presse-Agentur mitteilte. Die Regierung halte an ihrem Kurs zu Abschiebungen fest. »Wir wissen, dass die Lage in Afghanistan kompliziert ist.« In begrenztem Rahmen seien Abschiebungen dorthin aber verantwortbar.
In dem vertraulichen »Zwischenbericht« zur Sicherheitslage, der dpa vorliegt, sind unter anderem 27 der 34 Provinzen aufgelistet, in denen mit Angriffen vor allem der radikalislamischen Taliban gegen die Regierung oder internationale Vertreter gerechnet werde. Die Gefahr für die afghanische Bevölkerung wird dennoch als eher gering beschrieben. In dem Begleitschreiben von de Maizière und Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) zu dem Bericht heißt es zugleich, die Darstellung der Sicherheitslage sei unvollständig. Die Minister räumen ein, dass man »zu verschiedenen relevanten Aspekten - etwa zur Situation in den von Taliban kontrollierten Landkreisen oder zur Gefährdung bestimmter Volksgruppen - aufgrund der Umstände keine umfassende Auskunft geben kann und insofern Fragen offen bleiben«. Es gebe »kaum Möglichkeiten zur Gewinnung eigener Erkenntnisse vor Ort«.
Pro Asyl nannte den Bericht unbrauchbar. Er enthalte kaum verwertbare asylrelevante Fakten. Abschiebungen seien mit ihm nicht zu rechtfertigen. »Pro Tag werden 61 Soldaten und Polizisten getötet oder verwundet«, sagte Geschäftsführer Günter Burkhardt. Es sei nicht nachvollziehbar, wie vor diesem Hintergrund immer wieder Asylanträge mit der Begründung abgelehnt werden, die Betroffenen könnten sich unter den Schutz von Polizei und Sicherheitskräften stellen.
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