Krieg zum Anfassen

Bundeswehr präsentiert sich beim Tag der offenen Tür des Verteidigungsministeriums als attraktiver Arbeitgeber

  • Katharina Schwirkus
  • Lesedauer: 5 Min.

»Ich kann mir vorstellen, beim Bund zu arbeiten, insbesondere im Ministerium und möchte daher heute die Führung durch den Bendlerblock machen«, sagt Lena Schwanbeck, eine Studentin, die mit ihren Eltern in einer Schlange vor dem Verteidigungsministerium ansteht. Sie sind extra aus Strausberg gekommen. »Ich habe früher in der NVA gedient«, erzählt ihr Vater Peter Fiedler, der nach seiner Wehrpflicht noch drei Jahre als Flugzeugmechaniker in Peenemünde gedient hat.

Um an der Führung teilzunehmen, muss man durch eine extra Sicherheitskontrolle, obwohl alle Besucher schon am Eingang zum Ministerium wie am Flughafen abgecheckt werden. Daher bilden sich vorm Eingang zum Bendlerbock den ganzen Tag über Schlangen.

Viele Besucher trieb es zu den Panzern, zur Hüpfburg oder zu den ausgestellten Waffen. »Am besten hat mir das Tornadofliegen gefallen«, sagt die neunjährige Ella Diedrich aus Fürstenwalde. Ihr Vater erzählt, dass er auf Facebook von der Veranstaltung erfahren habe. Ob sie auch noch zu anderen Ministerien gehen, die heute ebenfalls Tag der offen Tür haben, wüssten sie noch nicht. »Die Zeit vergeht hier wie im Flug, mal gibt es was zum Anfassen, mal zu Ausprobieren«, sagt Mutter Linda Diedrich.

Der Stand zu Berufsmöglichkeiten bei der Bundeswehr ist im Verhältnis zu jenem beim Auswärtigen Amt (AA) besonders groß. Während beim AA nur die oberflächlichsten Informationen auslagen, gab es beim Verteidigungsministerium ein riesiges Zelt, in dem mehr als acht Personen über die unterschiedlichen Karrieremöglichkeiten bei der Bundeswehr informierten. »Mit dem Wegfall der Wehrpflicht müssen wir deutlicher über die Karrieremöglichkeiten bei der Bundeswehr informieren«, sagt Wolfgang Grenzer, Oberstleutnant und Leiter der Karriereberatung. Während es früher einen Eignungstest und dann die Festlegung gab, werde die Auswahl für den freiwilligen Wehrdienst heute mithilfe eines Assessment-Centers getroffen. Bei den BewerberInnen werde auf ihre medizinische, psychologische und militärische Eignung geachtet. Die psychologische Komponente sei hierbei neu. Seit der Abschaffung der Wehrpflicht habe sich der Frauenanteil bei der Bundeswehr noch nicht signifikant verändert. Derzeit liegt er bei etwa 15 Prozent. »Wir sind daran interessiert, den Anteil der Frauen weiter zu erhöhen«, sagt Grenzer. In Berlin würden derzeit die Hälfte aller Bewerber für den freiwilligen Wehrdienst einen Platz erhalten.

Am Stand des Bundesamtes für Ausrüstung und Informationstechnik ist das selbstschießende Geschütz MANTIS ausgestellt. Es sieht ein bisschen aus wie ein Panzer mit einer Kanone, die automatisch von rechts nach links und von oben nach unten rotiert. »Das stationäre Geschütz soll erst Mal nicht zum Einsatz kommen. Ob wir es einsetzen werden, ist von der Bedrohungslage abhängig«, sagt Jörg Langer vom Pressezentrum der Luftwaffe. »In Friedenszeiten sind wir etwa 80 Mann, die mit dem Geschütz arbeiten, um auf einen Einsatz vorbereitet zu sein«, erklärt Offizier Christoph Häring. Neben dem großen selbstschießenden Geschütz gibt es an dem Stand viele kleine Modelle. Eines davon ist ein Sensorsystem, das Raketen und Mörsergeschosse frühzeitig erkennt. Dies solle Ende des Jahres in Mali zum Einsatz kommen, sagt Häring.

Der prominenteste Gast kam schon am Samstag beim Tag der offenen Tür des Verteidigungsministeriums vorbei: Der Inspekteur des Heeres, Jörg Vollmer. »Ich bin in erster Linie hier, um meinen Soldaten Respekt zu zeigen«, sagt Vollmer. Mithilfe einer Video-Schalte nach Mali erkundigte er sich bei den Soldaten vor Ort nach den derzeitigen Umständen ihres Einsatzes. Einige Besucher hörten gespannt zu. »Der Inspekteur des Heeres trägt ein Barett mit drei Eichenblättern. Es ist das Symbol des Jägers, das auf einen hessischen Fürsten zurückgeht«, erklärt Oberstleutnant Christiane Scherping am Rande. Sie hat Politikwissenschaft in Bonn studiert und ist seit über 50 Jahren beim Bund. Heute hat sie das gleiche Barett dabei. »Ich bin ein Soldatenkind«, erklärt sie. Es ist ihr wichtig, nicht überheblich daher zu kommen. »Ich bin genauso Staatsbürgerin wie Du, nur manchmal muss ich das Gewaltmonopol ausüben«, erklärt Scherping. Bei den jungen Menschen, die jetzt eine Ausbildung absolvierten, müsse man mehr auf ihr demokratisches Bewusstsein achten. Viele hätten keinen persönlichen Bezug mehr zum Nationalsozialismus. Wenn man jedoch in der Gedenkstätte Yad Vashem in Israel stehe, könne man die Zahlungen nicht in Frage stellen, die Deutschland an Israel leiste.

Und dennoch, den Beigeschmack, den die Bundeswehr spätestens seit dem Fall Franco A. mit sich trägt, kann sie auch an diesem Wochenende nicht so schnell abschütteln.

»Ich finde, dass hier vieles an Nazi-Symbolik erinnert«, sagt Jannes Jacobsen, mit Blick auf das Symbol des Bundesamtes für Ausrüstung, das neben einem Stand hängt. »Das Schwarz, Weiß, Rot und dieser Adler gleicht der Reichskriegsflagge«, meint der 25-jährige, der in Berlin promoviert und sich lange mit solchen Symbolen auseinandergesetzt hat. Auffällig ist auch, dass die anwesenden Soldaten stets von »Selbstverteidigung« sprechen, wenn sie die Funktion der Geschütze erklären. Wörter wie »Töten« nimmt an diesem Tag niemand in den Mund.

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