Deutschland stoppt Abschiebungen nach Ungarn

Bundesrepublik weist bis auf weiteres keine Flüchtlinge nach Budapest aus / Pro Asyl spricht von einer überfälligen Entscheidung

  • Lesedauer: 2 Min.

Berlin. Aufgrund rechtlich unsicherer Bedingungen in Ungarn schiebt die Bundesregierung derzeit keine Flüchtlinge in das EU-Land gemäß der Dublin-Verordnung ab. Zwar würden weiterhin entsprechende Ersuchen an Ungarn gestellt, teilte die Bundesregierung in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der LINKEN-Abgeordneten Ulla Jelpke mit. Prüfungen hätten aber ergeben, dass Abschiebungen nur noch sehr eingeschränkt möglich seien. Spätestens seit dem 11. April sei kein Geflüchteter mehr von Deutschland aus nach Ungarn zurückgeschickt worden. Die Antwort der Bundesregierung lag der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag vor. Zuerst hatte das ARD-Hauptstadtstudio darüber berichtet.

Die Dublin-Verordnung sieht vor, dass dasjenige EU-Land für das Asylverfahren eines Flüchtlings zuständig ist, in dem er zuerst EU-Gebiet betreten hat. Die EU-Kommission hatte im Mai in der Frage ein bestehendes Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn vorangetrieben. Die Kommission kritisiert, dass Flüchtlingen in dem Land der Zugang zu einem EU-rechtskonformen Asylverfahren erschwert werde. Unbefristete Ingewahrsamnahmen von Asylbewerbern glichen systematischen Inhaftierungen.

Bei der Menschenrechtsorganisation »Pro Asyl« begrüßte man die Entscheidung aus Berlin und sprach von einem wichtigen, wenn auch reichlich späten Schritt. »Trotz der eklatanten Rechtsverletzungen, die Ungarns Regierung unter Victor Orbán in den letzten Jahren durchsetzte, konnte sich die Bundesregierung bislang zu keiner klaren Positionierung durchringen«, heißt es in einer Mitteilung.

Der einzige legale Zugang zum ungarischen Asylsystem erfolge derzeit nur noch »über das Nadelöhr der zwei Transitzonen in Röszke und Tompa«, wo seit Januar lediglich zehn Personen am Tag Zugang erhielten »und Schutzsuchende unter menschenunwürdigen Bedingungen ihr gesamtes Asylverfahren über festgesetzt werden«, beschreibt Pro Asyl die Zustände.

In den Monaten zuvor hatte Deutschland aus ähnlichen Gründen darauf verzichtet, Flüchtlinge nach Griechenland zu überstellen. Schrittweise sei die Dublin-Verordnung mit dem EU-Land nun wieder aufgenommen worden, schreibt die Bundesregierung. Im zweiten Quartal 2017 wurde allerdings noch kein Geflüchteter dorthin zurückgeführt. Agenturen/nd

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!