Juso-Chefin: Verbot von Linksunten »Wahlkampfaktionismus«
SPD-Politikerin Uekermann: Die eigentliche Gefahr liegt rechts / »Massives Ungleichgewicht bei der Union« im Vorgehen gegen Rechte und Linke
Berlin. Juso-Chefin Johanna Uekermann hat das Verbot der linksgerichteten Internetplattform »linksunten.indymedia.org« als »Wahlkampfaktionismus« kritisiert. »Es wird die Gefahr von links beschworen und darüber vergessen, wo die eigentliche Gefahr liegt - nämlich rechts«, sagte Uekermann am Donnerstag. Auch die Begründung des Verbots durch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) erscheine ihr »fragwürdig«.
Das Bundesinnenministerium hatte das Verbot in der vergangenen Woche damit begründet, dass »linksunten.indymedia.org« das einflussreichste Internetforum für gewaltbereite Linksradikale in Deutschland sei. Dort seien immer wieder Aufrufe zu Gewalt gegen Polizisten oder Sabotageaktionen gegen Infrastruktureinrichtungen verbreitet worden, auch in Zusammenhang mit dem G20-Gipfel Anfang Juli in Hamburg.
Uekermann sagte dazu: »Ich verurteile Gewaltanwendung oder auch den Aufruf zu Gewalt, egal ob bei G20 oder anderswo.« Selbstverständlich müsse auch gegen Leute vorgegangen werden, die zu Gewalt aufrufen. Das Verbot sei jedoch »eine Nebelkerze« und spreche »in der Gesamtbetrachtung für eine falsche Prioritätensetzung«. Zudem gehe es bei »linksunten.indymedia.org« um eine Internetplattform und keine Organisation. Schließlich werde auch Facebook nicht verboten, obwohl die Betreiber häufig rechte Hetze und auch Gewaltaufrufe tolerierten.
Zur Gefahr durch Rechtsradikale sagte Uekermann weiter: »Wir haben in Deutschland organisierte Neonazistrukturen - wir haben Konzerte, wo hunderte Nazis auftauchen und den Hitlergruß zeigen.« Auch sei zu erleben, »wie massiv gegen Geflüchtete gehetzt wird, wie Menschen im Alltag diskriminiert werden, weil sie irgendwie nicht deutsch genug aussehen.«
Die Juso-Chefin warf der Union ein »massives Ungleichgewicht« vor: »Links ist alles ganz schlimm und wird in einen Topf geworfen, und rechts guckt man gern weg.« Das aber »geht nicht«, mahnte Uekermann, »nicht nach den ganzen brennenden Flüchtlingsheimen, nicht nach dem NSU, nicht nach dieser gerade aufgedeckten Mordliste in Mecklenburg-Vorpommern«.
Dort wird zwei Männern vorgeworfen, eine Liste mit Menschen aus dem linken politischen Spektrum angelegt zu haben, die sie hätten töten wollen. Dabei handelt es sich um einen Polizisten sowie laut Medienberichten einen rechtsgerichteten Kommunalpolitiker.
Im Zuge des Verbots von »linksunten.indymedia.org« hatte die Polizei in der vergangenen Woche auch Hausdurchsuchungen in Baden-Württemberg vorgenommen, darunter beim sogenannten Kulturtreff in Selbstverwaltung (KTS) in Freiburg, wo sich Mitglieder von »linksunten.indymedia« regelmäßig trafen. Die Betroffenen zogen dagegen vor Gericht: Vor dem Bundesverwaltungsgericht und vor dem Verwaltungsgericht Freiburg seien Klagen eingereicht worden, teilte einer der Anwälte der Betroffenen am Mittwoch mit.
Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Stephan Mayer (CSU), forderte unterdessen im Deutschlandfunk, dass es in Deutschland keine rechtsfreien Räume geben dürfe. »Vorbereitungs- und Rückzugsräume für Linksautonome« wie die Rote Flora in Hamburg oder das KTS in Freiburg seien »nicht akzeptabel«. In Hamburg konstituiert sich am Donnerstag ein Sonderausschuss der Bürgerschaft, der die gewalttätigen Ausschreitungen während des G20-Gipfels aufarbeiten soll. AFP/nd
Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!