Wasserchaos in Südasien

Indien, Bangladesch und Nepal leiden schon seit Wochen unter einem Extrem-Monsun

  • Thomas Berger
  • Lesedauer: 4 Min.

Während die Welt auf das Zerstörungswerk blickt, das Tropensturm »Harvey« im US-Bundesstaat Texas anrichtet, wird eine andere Katastrophe medial vernachlässigt. Dabei kamen in Südasien bei den Überflutungen der vergangenen Wochen schon mehr als 1200 Menschen ums Leben, und internationale Experten sprechen vom schlimmsten Monsun der letzten zehn Jahre.

Ein Bild, das um die Welt ging, sprach für sich: In Andheri, einem Stadtteil von Indiens Wirtschaftsmetropole Mumbai (früher Bombay), waten muslimische Frauen durch knietiefe Wassermassen. Es ist Monsun in Südasien. Die alljährliche Regenzeit, bei der es ganz normal ist, das längere, intensive Regenfälle über Stadt und Land niedergehen. Inder, Nepalesen und Bangladeschis sind das gewöhnt, es ist ihr Lebensalltag, der sich im Zwölf-Monats-Rhythmus wiederholt. Monsun, da sind überschwemmte Straßen völlig normal. Was längst nicht normal ist, sind die Wassermassen, die in diesem Jahr niedergehen und für katastrophale Verhältnisse sorgen.

Schon im Juni und Juli waren Indiens nordwestliche Bundesstaaten Gujarat und Rajasthan betroffen. Aktuell war unter anderem Mumbai, dieser pulsierende 25-Millionen-Einwohner-Koloss und das ökonomische Herz des Landes, das Opfer. 320 Millimeter Niederschlag binnen 24 Stunden am Dienstag im eingangs erwähnten Andheri, 322 Millimeter nebenan in Santa Cruz, 308 in Borivali. Die Stadtteile weiter westlich und südlich kamen zwar geringfügig besser weg. Doch insgesamt, so diese offiziellen Zahlen der Stadtverwaltung Mumbais, ist es ein Mehrfaches der üblichen Menge, vergleichbar zuletzt mit der Flut von 2005.

Und die Megametropole ist kein Einzelfall: Zwei Wochen zuvor, am 15. August, war es Bengaluru (vormals Bangalore), die indische IT-Metropole, die an einem einzigen Tag das 37-Fache der üblichen Niederschlagsmenge erhielt. In Chandigarh, der gemeinsamen Hauptstadt der nordindischen Staaten Haryana und Punjab, war es am 21. August das 23-fache dessen, was durchschnittlich an einem Tag an Regen fällt. Da versank selbst die 1951 vom Schweizer Stararchitekten Le Corbusier entworfene Stadt, die damit als Indiens bestgeplante Metropole gilt, zeitweise völlig im Chaos.

Noch größer war dieses allerdings in Mumbai, wo das öffentliche Leben teilweise zum Stillstand kam. Auch die Schulen blieben am Mittwoch geschlossen. Und Polizei-Commissioner Amitesh Kumar musste gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters einräumen, dass selbst die Rettungskräfte massive Probleme mit dem Durchkommen hätten.

Ein Teil der Katastrophe im urbanen Raum ist selbstverschuldet: Indiens Großstädte wachsen nahezu planlos immer weiter, Flächenversiegelung schreitet voran. Neue Installationen zur Regenentwässerung gibt es kaum, und die alten, noch aus Kolonialzeiten stammenden Drainagesysteme sind oftmals in einem desolaten Zustand. Bei den riesigen Wassermassen würde es zwar in jedem Fall Schwierigkeiten geben - solche Umstände spitzen die Lage aber weiter zu.

Selbst Vorortzüge, verkehrsmäßig die wichtigsten Lebensadern in Mumbai, die das Herz der Wirtschaftsmetropole mit den Wohnstätten Hunderttausender Berufspendler am nördlichen Stadtrand verbinden, kamen wegen überschwemmter Gleise teilweise nicht mehr durch.

»Erst stand das Wasser nur kniehoch, nun ist es in Hüfthöhe angelangt, so dass uns nichts anderes bleibt, als zu gehen«, wurde der 50-jährige Hatem Ali von Dhakas führender Zeitung »The Daily Star« zitiert. Sein Heimatdorf Khidramatia in Bangladesch sei völlig überflutet worden.

Erst waren vorrangig die Distrikte im Norden des zum Teil nur wenige Meter über dem Meeresspiegel liegenden und besonders dicht bevölkerten Landes betroffen. Seit einen Tagen haben mit stetig steigenden Pegelständen der südwärts fließenden Ströme die Wassermassen auch die Hauptstadt Dhaka und andere Gebiete erreicht.

Und auch in Nepal war die Lage insbesondere im Landessüden schon die letzten Wochen über an vielen Stellen katastrophal. Millionen Menschen haben in allen drei Ländern ihr Obdach, ihre wirtschaftliche Lebensgrundlage verloren - viele auf den Feldern der überschwemmten Gebiete stehende Kulturen sind verloren. Zwar sind die Pflanzen zum Teil robust genug, um drei oder fünf Tage auf einem unter Wasser stehenden Acker zu überleben.

Da in vielen Gebieten die Wassermassen aber länger stehen, werden die Ernteausfälle beträchtlich sein. Was wiederum schon darauf hindeutet, dass Nahrungsgüterpreise in nächster Zeit steigen dürften, damit Hunger und Unterernährung weiter um sich greifen werden.

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