Nordkorea meldet erfolgreichen Test von Wasserstoffbombe

Seismische Messungen zeigen künstliches Erdbeben der Stärke 6,3 / Nachbeben mit Stärke 4,6 - vermutlich durch Einstürz der Explosionsschächte

  • Lesedauer: 4 Min.

Seoul. Trotz aller Sanktionen hat Nordkorea seinen bisher größten Atomwaffentest unternommen. Wie Staatsmedien am Sonntag in Pjöngjang berichteten, sei eine Wasserstoffbombe getestet worden, die weit stärker als herkömmliche Atomsprengsätze ist. Der Test sei erfolgreich verlaufen. Mit der Bombe könne auch eine neue Interkontinentalrakete (ICBM) bestückt werden, berichtete Nordkoreas Staatsfernsehen laut der südkoreanischen Nachrichtenagentur Yonhap. Südkorea und Japan bestätigten den neuen unterirdischen Atomversuch.

Der sechste Atomtest seit 2006 ist eine massive Provokation des nordkoreanischen Machthabers Kim Jong Un in den stark gewachsenen Spannungen mit den USA und den Ländern in der Region. US-Präsident Donald Trump hat »militärische Optionen« nicht ausgeschlossen, um Nordkorea daran zu hindern, sein Atom- und Raketenprogramm weiter zu entwickeln. Auch hatte der US-Präsident mit »Feuer und Wut« gedroht, was Sorgen vor einem verheerenden bewaffneten Konflikt anfachte.

Erste seismische Hinweise auf den unterirdischen Atomversuch gab ein Erdbeben der Stärke 6,3 in der Provinz Nord-Hamgyong im Nordosten, wo auch frühere Nuklearversuche unternommen worden waren. Das Beben war auch in der 650 000 Einwohner zählenden chinesischen Grenzstadt Yanji spürbar. Das chinesische Erdbebenamt berichtete wenig später ein zweites Erdbeben der Stärke 4,6 in Nordkorea, bei dem offenbar Hohlräume in der Erde zusammengebrochen waren.

Nordkorea hatte auch nach dem Test im Januar des vergangenen Jahres von einem Wasserstoffbombentest gesprochen. Experten hatten allerdings stark die Angaben bezweifelt. Unmittelbar vor dem Test am Sonntag hatte Kim Jong Un bei einem Besuch im staatlichen Atomwaffeninstitut vorgegeben, jetzt auch eine Wasserstoffbombe zu besitzen, die auf eine Interkontinentalrakete montiert werden könne.

Als Reaktion riefen die Regierungen in Südkorea und Japan jeweils ihre nationalen Sicherheitsberater zusammen. Ministerpräsident Shinzo Abe hatte zuvor in Tokio erklärt, sollte es sich bei dem Erdbeben in Nordkorea tatsächlich um einen Atomtest gehandelt haben, sei dies absolut inakzeptabel. Man werde aufs Schärfste protestieren.

Der Atomversuch folgte auf den Test vergangene Woche mit einer Rakete, die über Japan geflogen ist. Die USA beraten deswegen gerade schon mit Japan oder auch den Mitgliedern im Weltsicherheitsrat über Gegenmaßnahmen. Nach dem Atomversuch könnte es neue Sanktionen geben. Peking spielt dabei eine wichtige Rolle, weil rund 90 Prozent des Handels mit dem isolierten Land über China läuft.

Die Nordkorea-Krise überschattet auch den Sonntag beginnenden jährlichen Gipfel der Brics-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika in der südostchinesischen Stadt Xiamen. Dazu wird auch Russlands Präsident Wladimir Putin in China erwartet. Vor allem in den bilateralen Gesprächen von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping mit Putin und den anderen Staats- und Regierungschefs dürften Nordkoreas Atomtests eine Rolle spielen.

Das Beben in Nordkorea war nach ersten Analysen der Vereinten Nationen stärker als bei dem letzten Test des Landes im Januar vergangenen Jahres. »Sollte sich der Atomtest bestätigen, würde das zeigen, dass das Atomprogramm Nordkoreas rasch voranschreitet«, sagte der Chef der Organisation des Vertrags über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen (CTBTO), Lassina Zerbo. Er hoffe inständig, dass der jüngste Zwischenfall die letzte Warnung für die Weltgemeinschaft war, um jede Form von nuklearen Tests zu verbieten.

Nur Stunden vor dem Atomversuch hatte Nordkoreas Machthaber im Atomwaffeninstitut verkündet, seine neue Wasserstoffbombe könne auch auf eine Interkontinentalrakete (ICBM) montiert werden. Das Institut habe damit den Vorgaben der herrschenden Arbeiterpartei entsprochen, einen Durchbruch bei der atomaren Bewaffnung zu erzielen, berichteten Staatsmedien. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen. Es hieß, der Fortschritt basiere auf dem Erfolg, der mit dem ersten Wasserstoffbombentest im Januar 2016 erzielt worden sei.

Bilder der nordkoreanischen Medien zeigten am Sonntag ein Foto von Kim Jong Un und hochrangigen Parteifunktionären um einen runden silbernen Behälter, der angeblich den Sprengkopf für die Rakete zeigt. Er sei »stolz auf die unbezwingbare Stärkung« der Atomstreitkräfte, wurde Kim zitiert. Nach offizieller Darstellung lässt sich die Sprengkraft der neuen Waffe von Dutzenden Kilotonnen »bis mehrere hundert Kilotonnen« variieren.

Die USA verfolgen die Entwicklung der Atomsprengköpfe und der Interkontinentalraketen besonders mit Sorge, weil sie einen Schlag gegen amerikanisches Territorium befürchten. Die Bestückung einer Langstreckenrakete oder ein Test einer Wasserstoffbombe wären weitere große Fortschritte im Atom- und Raketenprogramm des Landes, das seit Jahren strengen internationalen Sanktionen unterworfen ist.

Bisher wurde angezweifelt, dass Nordkorea bereits über die Technologie verfügt, einen Sprengkopf so zu verkleinern, dass er auf eine Rakete passt. Auch ist schwierig, dass ein solcher Sprengkopf auch den Wiedereintritt der Rakete in die Erdatmosphäre übersteht. Die Explosionskraft einer Wasserstoffbombe oder H-Bombe ist um ein Vielfaches höher als bei einer herkömmlichen Atombombe.

Das diplomatisch isolierte Nordkorea hat den USA und Südkorea schon mehrfach mit einem präventiven Atomschlag gedroht. Mehrfach wurde US-Pazifik-Insel Guam ins Visier genommen, wo die USA einen großen Militärstützpunkt unterhalten. dpa/nd

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