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China will die Schwellenländer anführen

Staatschef Xi Jinping macht BRICS-Gipfel in Xiamen zu seiner Bühne

  • Finn Mayer-Kuckuk, Peking
  • Lesedauer: 4 Min.

Der Gipfel der wichtigsten Schwellenländer hat sein wichtigstes Ergebnis bereits erzielt, bevor er begonnen hat. Soldaten aus China und Indien standen sich in den vergangenen zwei Monaten in einem umstrittenen Grenzgebiet gegenüber; die Drohungen gewannen an Schärfe. Doch kurz vor dem Treffen der Staatschefs rauften sich beide Seiten zusammen, um den Erfolg des hochkarätigen Ereignisses nicht zu gefährden. »Der Besuch des indischen Ministerpräsidenten Narendra Modi in China bietet eine Chance, die Spannungen im Dialog zu lösen«, sagt Regionalexperte Rajiv Biswas vom Forschungshaus IHS Markit.

Von Sonntag bis Dienstag findet in der chinesischen Küstenstadt Xiamen der BRICS-Gipfel statt. BRICS steht für Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika: eine Gruppe von Ländern, die derzeit 23 Prozent der Weltwirtschaft ausmacht und 50 Prozent des globalen Wachstums erzeugt. Vier von zehn Bewohnern des Planeten leben in BRICS-Staaten. Durch die Größe haben sie erheblichen Einfluss auf das Geschehen in ihrer jeweiligen Weltgegend. Ihre Staatschefs treffen sich bereits zum neunten Mal, um gemeinsame Interessen und Probleme zu besprechen.

Doch tatsächlich halten sich die Gemeinsamkeiten in Grenzen. Während China und Indien im ersten Halbjahr um mehr als sechs Prozent gewachsen sind, stagnieren Brasilien, Russland und Südafrika. Eine Studie des Centre for Economic Policy Research (CEPR) in London zeigt, dass die BRICS nicht einmal besonders viel untereinander handeln - und dass ihre protektionistischen Regeln die Vertiefung des Warenverkehrs weiterhin behindern.

Auch die Stellung auf der Weltbühne ist sehr unterschiedlich: Während Russland und China als Weltmächte erheblichen Einfluss auf andere Ländern ausüben, kämpfen die anderen drei BRICS mit zu großen Schwierigkeiten, um weltweit Muskeln spielen lassen zu können.

Chinas Präsident Xi Jinping will diese Lage nutzen, um seinen eigenen Einfluss zu vergrößern. Als größtes, reichstes und am meisten respektiertes BRICS-Land positioniert sich China als Anführer dieser Gruppe. Das passt den anderen Mitgliedern zwar nicht, aber sie können wenig dagegen tun: Brasilien und Südafrika kommen nicht ohne Investitionen aus China aus; für Indien ist es Prestigesache, bei den BRICS dabei zu sein. Russland liegt derzeit mit dem Westen über Kreuz und braucht dringend andere Bündnisse, um nicht isoliert dazustehen. Deshalb reist auch Staatschef Waldimir Putin brav zum chinesischen Rivalen nach Xiamen.

Zur Ankunft der Staatschefs am Sonntag hat Xi eine Propagandaoffensive gestartet, die China im Zentrum der BRICS zeigt. »Xi bringt die BRICS durch seinen Weitblick voran«, lobt die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua den chinesischen Staatschef: Den BRICS gebühre in Zeiten globaler Unsicherheit eine Führungsrolle, um Stabilität zu schaffen. China sei bereit, die anderen Mitglieder an seinen erfolgreichen Entwicklungsmodellen teilhaben zu lassen. Xi habe seine ganze Karriere lang ebenso unermüdlich wie wirksam an der Bekämpfung der Armut gearbeitet. Unter seiner Führung stehe den BRICS eine »strahlende Zukunft« bevor. »Xis Diplomatie bietet Lösungen für globale Probleme«, heißt es ganz bescheiden.

Zumindest einen konkreten Erfolg können die fünf Schwellenländer dieses Mal vorweisen: die New Development Bank, auch genannt BRICS-Bank. Es handelt sich dabei um eine Förderinstitution, die seit einem Jahr nachhaltige Infrastrukturprojekte finanziert. »Ein Meilenstein für die Entwicklung der BRICS«, urteilt Biswas. Die gemeinsame Infrastrukturbank sei das bisher greifbarste Resultat der regelmäßigen Gipfel.

Um die erweiterte Rolle der BRICS zu zeigen, hat Xi zudem erstmals eine Reihe anderer Länder zu dem Gipfel eingeladen - ein Muster, das bereits von den G20-Treffen bekannt ist. Das Projekt nennt er »BRICS Plus«. Er hat Vertreter aus Ägypten, Tajikistan, Guinea, Thailand und Mexiko dazugebeten. Damit ehrt er Staaten, die in Peking außenpolitisch derzeit hoch im Kurs stehen.

Xi geht mit der Erweiterung des Treffens jedoch auch geschickt auf zunehmende Kritik an der BRICS-Runde ein. Fraglich ist nämlich, warum gerade diese fünf Länder zu BRICS gehören. 2001, als ein Ökonom der US-Bank Goldman Sachs das Wort schuf, standen alle fünf in den Startlöchern zu einer großartigen Entwicklung. Zudem nehmen sie einen großen Teil der Landmasse ein. Auch bedeutet BRIC auf Englisch »Mauerstein«, der Begriff konnte sich schnell verbreiten.

Doch was ist mit Indonesien, der größten Volkswirtschaft in Südostasien, mit 260 Millionen Einwohnern und fünf Prozent Wachstum? Mit Mexiko, das immerhin auf 120 Millionen Einwohner kommt? Auch die Türkei, Chile, Thailand oder Argentinien würden gut in einen Block der Schwellenländer passen. Goldman Sachs hat bereits vor zwei Jahren ihren BRICS-Investmentfonds aufgegeben und durch einen flexibleren Schwellenländer-Fonds ersetzt. Denn die Aktien hatten heftig geschwankt - auch Musterschüler China hatte eine Börsenkrise - und die Enttäuschungen überwogen die Zuwächse bei weitem. Abzuwarten ist, ob sich durch den aktuellen Gipfel daran etwas ändert.

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