Linke erinnert an das vergessene Griechenland

Auf dem Kongress »Solidarity against Austerity« am Wochenende in Berlin forderten Parteivertreter ein Ende der Kürzungspolitik

  • Marie Frank
  • Lesedauer: 3 Min.

»Niemand interessiert sich mehr für die Griechen«, heißt es in dem Gedicht »Die Griechen«, das der Schriftsteller Volker Braun auf dem Kongress »Solidarity against Austerity - Solidarität mit Griechenland«, den die LINKE am Samstag in Berlin veranstaltete, vorträgt. Schaut man sich die aktuelle Berichterstattung oder den derzeitigen politischen Diskurs an, könnte er Recht haben. Genau aus diesem Grund hat die Fraktion der LINKEN im Europäischen Parlament, die »Vereinte Europäische Linke/Nordische Grüne Linke« (GUE/NGL) diesen Kongress veranstaltet, der explizit keine Wahlkampfveranstaltung sein soll, wie Gabi Zimmer, die Fraktionsvorsitzende und Organisatorin der Veranstaltung, betont. Aber in diesen Zeiten ist ja alles irgendwie Wahlkampf.

Der Wahlkampf sei auch der Grund, aus dem man von der Bundesregierung seit zwei Jahren in der Griechenland-Politik vertröstet werde. Es müsse sich jedoch unbedingt sofort etwas ändern, meint Zimmer: »Das betrifft sowohl die sogenannten Reformprogramme, die Kürzungen des öffentlichen Dienstes, die Privatisierungen und auch den Umgang mit diesen Ländern in der Flüchtlingspolitik.« Die Flüchtlingspolitik spielt dementsprechend auch eine große Rolle auf dem Kongress. Neben Diskussionsrunden zum »Spardiktat der EU« und Berichten von AktivistInnen griechischer Solidaritätsbewegungen, wird auch ausgiebig über die »Festung Europa« diskutiert.

Als zur Einleitung in das Thema ein Kurzfilm über einen Seenotrettungseinsatz vor der griechischen Insel Lesbos gezeigt wird, ist die Betroffenheit im Saal groß. Noch größer wird sie, als der Fischer Thanasis Marmarinos von seinen Einsätzen im Mittelmeer erzählt. Thanasis kommt aus einem 160-Seelen-Dorf auf Lesbos, in dem vor zwei Jahren Hunderttausende Flüchtlinge strandeten. Das war der Moment, in dem sich der Fischer entschloss zu helfen und mit seinem Fischkutter Flüchtlinge auf dem Mittelmeer zu retten. Teilweise alleine, teilweise mitten in der Nacht. Kein ungefährliches Vorhaben, doch das interessiert Thanasis nicht: »Du kannst nicht fischen gehen, wenn so viele Menschen deine Hilfe brauchen«, konstatiert er lakonisch. Schätzungen zufolge hat Thanasis Marmarinos rund 4000 Menschen das Leben gerettet. 2016 wurde er deshalb für den Friedensnobelpreis nominiert.

Doch nicht nur die Anwesenden sind ergriffen, wenn Thanasis von seinen Rettungseinsätzen erzählt. Auch dem Fischer selbst kommen die Tränen, wenn er daran zurückdenkt. »Wie Fische« hätten ihm die Flüchtlinge ihre Babys und Kleinkinder auf den Kutter geworfen, während sie selbst in den völlig überfüllten Schlauchbooten, »mit mehr Flicken als Menschen«, ausharrten und kaum mehr Hoffnung auf Rettung hatten. Thanasis konnte sie trotzdem retten und fragt sich heute: »Wenn es eine so kleine Insel wie Lesbos schafft, so viele Flüchtlinge aufzunehmen, wieso schafft es Europa dann nicht, verhältnismäßig viel weniger Flüchtlinge aufzunehmen?«

Die Frage bleibt unbeantwortet. Die LINKE verweist in diesem Zusammenhang auf den Anti-Asyl-Deal zwischen der EU und der Türkei, der aufgekündigt werden müsse. Statt »Erdoğans Flüchtlingsabwehr-Service« zu nutzen, müsse die EU vielmehr eine eigene solidarische Flüchtlingspolitik etablieren, fordert Martina Michels, Europaabgeordnete (LINKE) und Mitglied der parlamentarischen Delegation EU-Türkei. Schließlich sei das Abkommen mit der Türkei »der Schlüssel aller Erpressbarkeit der Europäischen Union«. Stattdessen würde lautstark der Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei gefordert. Das hält Michels nicht nur für politisch nicht umsetzbar, sondern auch für den falschen Weg: »Die Türkei ist mehr als Erdoğan. Wenn jetzt einfach der Abbruch der Beitrittsverhandlungen gefordert wird, dann heißt das auch, man lässt die Opposition dort schlichtweg im Stich«, sagte sie gegenüber »nd«. Stattdessen müsse die EU stärker auf die Opposition und Minderheiten in der Türkei zugehen.

Volker Braun ist mittlerweile am Ende seines Gedichtes angelangt: »Der Brandherd liegt nicht auf der Ebene der Löschversuche.«. Auch hier könnte er wieder Recht haben.

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