Wahlkampfopfer
Personalie
Knapp zwei Wochen vor der Bundestagswahl versuchen Teile der Linkspartei die Reihen geschlossen zu halten. Vertreter unerwünschter Positionen und potenzielle Skandalbringer müssen für dieses Ziel auch schon mal die Plätze räumen. Getroffen hat es nun Sarah Rambatz. Die 24-jährige Bundessprecherin der Linksjugend und Bundestagskandidatin der Hamburger Linkspartei ist von ihrer Kandidatur zurückgetreten. Was hatte sie verbrochen, dass sie unter solchen Druck geriet? Politisch unklug, weil Wahlkampfzeit und Stimmung in zentralen Parteigremien unterschätzend, hatte sie in einer geschlossenen Gruppe in sozialen Netzwerken nach »antideutschen Filmempfehlungen« gefragt - »grundsätzlich alles wo Deutsche sterben« geantwortet, so die nach eigener Erklärung »satirisch überspitzte« Wortwahl.
Was auf diese Äußerung folgte, war die Inszenierung eines »Skandals«. Ähnlich wie in früheren Fällen der ehemaligen Piratenpartei-Politikerinnen Anne Helm (»Thanks, Bomber Harris«), Julia Schramm (»Sauerkraut, Kartoffelbrei - Bomber Harris, Feuer frei«) oder des Journalisten Deniz Yücel (»Super, Deutschland schafft sich ab!«) meldete sich ein spektrenübergreifender Volkszorn mit Schaum vorm Mund zu Wort. Von Linkspartei-Anhängern bis zur extremen Rechten wurde verbal auf Rambatz eingeschlagen. Ihre vermutlich intendierte derbe und provokante Kritik am Nationalismus wollte die Meute regelrecht wörtlich und damit falsch verstehen. Mord- und Vergewaltigungsdrohungen gegen sie und ihre Familie waren die Folge.
Die junge Politikerin gestand »Fehler« ein und entschuldigte sich für die »dumme, unbedachte Aktion«. Geholfen hat es nicht, ihre Partei kehrte ihr den Rücken. Spitzenkandidat Fabio De Masi erklärte, er bekäme »das kalte Kotzen«; der Bundessprecher der Linkspartei, Hendrik Thalheim, kritisierte die »Dummheit und Geschmacklosigkeit«; der Hamburger Landesverband distanzierte sich ebenfalls. Um potenzielle Wähler nicht zu vergraulen und die »Antideutschen« draußen zu halten, wurde Rambatz dem digitalen Mob geopfert.
Über die Wahl wird viel gesprochen - das allein ändert noch nicht die Verhältnisse.Wir schlagen im Wahlkampf eine Schneise in die Schwafelei. Lesen Sie mit auf unserer Spezialseite zur Bundestagswahl 2017
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