Minister rüttelt an Energieumlage

Albrecht Gerber (SPD) spricht sich für eine schrittweise Absenkung der Sonderabgaben aus

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 4 Min.

Für eine schrittweise Absenkung der Sonderabgaben im Rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (Stichwort: EEG-Umlage) hat sich Wirtschaftsminister Albrecht Gerber (SPD) ausgesprochen. Das tue er, »ohne die Wahlprogramme von FDP und AfD im Einzelnen zu kennen«, sagte er am Freitag nach einem Gespräch mit den Präsidenten der drei brandenburgischen Handwerkskammern. In den Programmen von FDP und AfD steht die Forderung nach einer Abschaffung. Zu den staatlich garantierten Renditen für die Betreiber von Windrädern und Solaranlagen sagte Gerber: »Mit dem Welpenschutz muss es allmählich vorbei sein.«

Das bisherige System der Umlage »kommt an seine Grenzen, vor allem an die Belastungsgrenzen«, unterstrich Gerber. Er räumte ein, dass sich die Produktionskosten für energieintensive Handwerksbetriebe deutlich erhöht haben und sie gegenüber solchen Unternehmen Wettbewerbsnachteile erleiden, die von der EEG-Umlage ausgenommen sind. »Inzwischen machen Steuern, Abgaben und Umlange weit mehr als 50 Prozent des Strompreises aus«, rechnete der Minister vor. Das dürfe nicht endlos so weitergehen, wenn die Akzeptanz für die Energiewende unter den Bürgern keinen Schaden nehmen solle.

Ob es in der Sache von Brandenburg eine Bundesratsinitiative geben werde, »muss man sehen«, sagte Gerber. Er könne sich aber als ersten Schritt die Ausweitung des Kreises der von der EEG-Umlage befreiten Firmen vorstellen. Auch wäre es möglich, für neu errichtete Wind- oder Solarparks andere Regeln als die bisherigen zu finden.

Der Präsident der Handwerkskammer Frankfurt (Oder) Wolf-Harald Krüger sagte, wer heute einen Windpark betreibe, der erhalte vom Staat, das heißt vom Steuerzahler, eine Zwölf-Prozent-Rendite über viele Jahre hinweg garantiert. Eine solche Gewinnhöhe werde an der Börse oder in anderen Geldanlagen nicht erzielt. An dieser Stelle sollte »mehr Marktwirtschaft« einsetzen, das würde die Energie billiger machen, denkt Krüger. Er forderte von der Politik »Eingriffe und Veränderungen«.

Als Präsident der Kammer Cottbus sagte Peter Dreißig, mit 100 Filialen und 850 Beschäftigten sehe er sich immer noch als ein mittelständischer Unternehmer. Die Umlage koste ihn pro Jahr 400 000 Euro. Die würde er lieber in Investitionen wie Energiesparlampen stecken. Als Unternehmer in Guben wäre es ein leichtes, über die Neiße nach Polen zu gehen, dort wäre er von dergleichen Zusatzkosten befreit. »Aber das tue ich nur, wenn mir betriebswirtschaftlich nichts anderes übrig bleibt.« Er sei stolz, Deutscher zu sein und sein Ziel als Inhaber einer 105 Jahre alten Firma sei es, die Arbeitsplätze in Deutschland zu erhalten. Dreißig kritisierte, dass Produzenten von »Teiglingen«, die an Großketten geliefert werden, wo sie nur noch aufzubacken sind, von der EEG-Umlage befreit sind, die größeren und kleineren Bäcker in Brandenburg jedoch nicht.

Das Handwerk »steht zur Energiewende«, erklärte Robert Wüst, der Präsident der Kammer Potsdam. Doch dürfe die Belastung nicht auch noch zunehmen, wie es geplant sei. »Die Schmerzgrenze ist erreicht.« Jenseits davon werde die Energiewende keine Akzeptanz mehr finden.

Vor allem in Brandenburg ist der Strom für Privatkunden und Firmen teuer, weil hier in den vergangenen Jahrzehnten viele Windräder und Solaranlagen entstanden sind, ohne dass die Stromnetze so ausgebaut sind, dass die Energie effektiv weitergeleitet werden kann.

Nach Ansicht von Wirtschaftsminister Gerber ist es dennoch kein Fehler gewesen, hier den Vorreiter zu spielen. Ihm zufolge werden 14 Prozent des verbrauchten Stroms aus erneuerbaren Quellen bezogen, der große Rest stamme aus Kohle-, Gas- und Atomkraftwerken. Es sei daher falsch, die Energiewende als quasi vor dem Abschluss stehend zu betrachten. Alles hänge an der Möglichkeit, Energie in großem Umfang zu speichern. Gerber bestritt, dass man dabei in den vergangenen zehn Jahren nicht vorangekommen sei, doch habe es sich lediglich um »kleine Schritte« gehandelt. Die Kohle werde jedenfalls noch eine geraume Zeit benötigt, um eine stabile und bezahlbare Energieversorgung zu sichern.

2016 habe die Energiewirtschaft in Südbrandenburg erstmals nicht genügend Lehrlinge bekommen, sagte Handwerkspräsident Dreißig. Junge Leute würden sich angesichts der Diskussionen um die Braunkohle überlegen, was sie tun und wo sie sich ein Eigenheim bauen. Handwerkspräsident Krüger sprach von technisch möglichen Verfahren, dass Betreiber von Solaranlagen ihren Strom »im eigenen Keller speichern« könnten. Das aber setze Investitionen voraus. Das Handwerk stünde bereit.

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