Einer, der ritt wie der Teufel

Wie Gerüchte aus einem Fremden einen Magier werden lassen

  • Miriam Schönbach, Bautzen
  • Lesedauer: 3 Min.

Mit erhobenem Kinn sitzt der Reiter stolz im roten Paraderock mit dunkelblauer Filzhose und Federhut auf dem Schimmel. Die Figur des Johann von Schadowitz wurde für die Sonderausstellung »Krabat - Mensch. Mythos. Marke« von einem Stuckateur gefertigt. »Den weißhaarigen, schnauzbärtigen Krabat kennen alle. Wir wollen mit dieser Schau bewusst mit dem Bekannten brechen und zeigen zum ersten Mal die wahre Person, die hinter der berühmten Krabat-Sagengestalt der Oberlausitz steht«, sagte Kuratorin Christina Bogusz. Die Ausstellung ist seit Sonntag im Sorbischen Museum Bautzen zu sehen.

Chronist und Ahnenforscher Hans-Jürgen Schröter hat die Ausstellungsmacher auf die Spuren des tatsächlichen Krabats gebracht. Ausgangspunkt seiner Forschungen vor zehn Jahren waren der Grabstein für Johann von Schadowitz in der Wittichenauer Kirche und eine Eintragung in der Ortschronik des 19. Jahrhunderts, dass jener Verstorbene Krabat sei. Er begibt sich auf Suche in zahlreichen Archiven. Seine Recherchen führen ihn schließlich zu Janko Sajatovic (1624-1704) - deutsch Johann von Schadowitz. Unter dem Namen heuert der kroatische Offizier 1658 in der Elitetruppe des sächsischen Kurfürsten an. Es toben die Türkenkriege. »Es ging um Macht und Religion, den Kampf zwischen Christenheit und Osmanischen Reich«, sagt Bogusz. Die Militärs aus der heutigen Region zwischen Kroatien und Slowenien sind als »Bodyguards« bei den Herrschern beliebt, beim einfachen Volk gelten die versierten Reiter als Mörder und Räuber, die als erste die Dörfer stürmen.

Über Schadowitz’ Anwesenheit berichtet unter anderem das »Geheime Kriegsratskollegium«. Sechs Pferde und ein paar Knechte hat er dabei, ist in der Akte des Hauptstaatsarchivs zu lesen. »Unter vier Königen dient er treu und ergeben«, sagt Bogusz. Für seine Loyalität belohnt ihn Johann Georg IV. mit dem Gut Särchen, dem heutigen Großsärchen. Zum Vorwerk gehören damals Mühle, Gastwirtschaft und Schäferei sowie Forsthaus und drei Fischteiche. Einen Tag vor seinem Einzug brennt das Wohnhaus ab, ein Mann kommt ums Leben. Nicht nur deshalb nehmen die sorbischen Bauern den Fremden mit Argwohn im Dorf auf.

Susanne Hose hat sich mit dem Krabat-Mythos und seiner literarischen Verarbeitung beschäftigt. »Da kam einer ins Dorf, der anders aussah, ritt wie der Teufel und das Gut in kürzester Zeit wieder erfolgreich bewirtschaftete«, sagt sie. Dazu herrschen Aberglaube, Frömmigkeit und die Furcht vor schwarzer Magie. »Gerüchte und Klatsch machen so aus dem Fremden nach dessen Tod 1704 den Zauberer Krabat, der sich mit dem Teufel eingelassen hat. Wie stille Post funktioniert das«, sagt Hose. Die mündliche Überlieferung wird erstmals 1856 auf Sorbisch aufgeschrieben. Volkskundler Jurij Bilk macht 40 Jahre später aus Krabat-Sagen die Erzählung über den »Wendischen Faust«. »Ohne ihn hätte der Stoff nicht in Literatur, Film und Theater gefunden«, so die Kulturwissenschaftlerin vom Sorbischen Institut. Neben dieser Einrichtung, dem Sorbischem Museum und Krabatforscher Schröter haben an der Ausstellung die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und das Regionalmanagement des Leader-Gebietes der Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft mitgewirkt.

Nach Ausstellungsende am 15. April sollen einige Exponate in die Krabatmühle nach Schwarzkollm umziehen. Neben dem Wandel vom Mensch zum Mythos betrachtet die Schau auch den heutigen Wirtschaftsfaktor für die Region durch die Krabat-Legenden. Begleitet wird die Ausstellung durch Filme, Führungen, Vorträge und einem Programm für Kinder. dpa/nd

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