Die Stunde der Rübe schlägt

Mecklenburg-Vorpommern: Mit der diesjährigen Ernte wird vieles anders, denn die EU-Zuckerquote fällt

  • Martina Rathke, Anklam
  • Lesedauer: 3 Min.

Die letzte verbliebene Zuckerfabrik Mecklenburg-Vorpommerns hat am Montag mit der Verarbeitung der diesjährigen Ernte begonnen. Mit Anlieferung der ersten Rübenladungen startete die Zuckerfabrik Anklam die Arbeit. 384 Betriebe aus Mecklenburg-Vorpommern und Nordbrandenburg liefern bis Mitte Januar ihre Ernte an das Werk am Rande der Peenestadt, Rübenanbauer im westlichen Mecklenburg beschicken derweil die Fabrik im niedersächsischen Uelzen.

Letztere gehört zu Nordzucker, das Anklamer Unternehmen zum niederländischen Konzern Suiker Unie. In Anklam rechnet man mit bis zu 1,4 Millionen Tonnen Rüben, die zu insgesamt 220 000 bis 230 000 Tonnen Zucker verarbeitet werden, wie Geschäftsführer Matthias Sauer sagte. Rund 100 000 Tonnen Zucker würden zu Bioethanol weiterverarbeitet.

Der Zuckergehalt der ersten Rüben lag bei 15,9 Prozent - ein Wert unter dem langjährigen Mittel. Ursache dafür seien die vielen Niederschläge im Sommer, die zu einer Verwässerung der Rüben geführt hätten. »Das ist ein nüchterner Start«, sagte Firmenchef Sauer. Er rechnet damit, dass der Zuckergehalt der später geernteten Rüben höher ist und das langjährige Mittel von 17,2 bis 17,5 Prozent Zuckergehalt erreicht werden könne.

Zum 1. Oktober 2017 fällt die EU-Zuckerquote weg - und damit die bestehenden Reglementierungen für den Verkauf von Zucker auf dem Binnenmarkt. »Wir müssen uns jetzt auf dem Weltmarkt behaupten, sind aber zuversichtlich, dass wir das schaffen werden«, sagte Sauer. Mit Investitionen von 60 Millionen Euro soll das Unternehmen auf den veränderten Markt vorbereitet wurden. So werden die Verarbeitungskapazitäten in den kommenden Jahren Schritt um Schritt um 25 Prozent auf zwei Millionen Tonnen Rüben erhöht. »Entscheidend ist, dass wir dabei den Energieaufwand nicht steigern. Das macht uns konkurrenzfähig«, wie Sauer betonte.

In anderen Bundesländern haben Landwirte ihre Anbauflächen bereits erweitert. Die Rübenanbauer im Nordosten beabsichtigen in den kommenden Jahren ebenfalls eine Ausdehnung der Anbauflächen von 19 000 auf etwa 24 000 Hektar, sagte Antje Wulkow, Geschäftsführerin der Rübenanbauer-Verbände für Mecklenburg-Vorpommern. Zudem gebe es Interesse von weiteren Landwirten, auf Rüben umzusteigen.

Der Rübenanbauer-Verband sieht die Anklamer Fabrik nach dem Wegfall der Zuckerquote für die Zukunft gut aufgestellt. »Der Dreiklang von Zucker-, Bioethanol- und Biogasproduktion ist in Europa einmalig«, sagte Wulkow. Das Konzept, die Rüben komplett zu verwerten, sei zukunftsorientiert und nachhaltig.

Die Zuckerfabrik Anklam ist mit 180 Stammarbeitnehmern, 20 Auszubildenden und 30 Saisonkräften der mit weitem Abstand größte industrielle Arbeitgeber in der Stadt. Die Fabrikerweiterung helfe, die Arbeitsplätze für die Zukunft zu sichern, sagte Bürgermeister Michael Galander. Für die Stadt bringe die Fabrik solide Steuereinnahmen. Nach Angaben von Firmenchef Sauer erwirtschaftet das Unternehmen einen jährlichen Umsatz von 110 bis 120 Millionen Euro.

Welche Auswirkungen der Wegfall der Zuckerquote für den Verbraucher haben wird, ist bislang unklar. Absehbar sei, dass mehr Zucker produziert werde, sagte Sauer. Ob der Einzelhandel deshalb die Preise senke, müsse abgewartet werden. Die Anklamer Fabrik liefere weiter an die bestehende Stammkundschaft. dpa/nd

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