Eskalation in Katalonien

Polizei durchsucht Ministerien in Barcelona und nimmt Mitarbeiter fest / Linke, Studenten und Gewerkschafter mobilisieren zu spontanen Protesten

  • Lesedauer: 3 Min.

Barcelona. Die Situation vor dem Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien eskaliert. Die spanische Zentralregierung ist am Mittwoch hart gegen Unabhängigkeitsbefürworter vorgegangen und nahm mindestens 13 Mitarbeiter und Mitglieder der katalanischen Regierung fest, es wurden 20 Ermittlungsverfahren eingeleitet. Unter den Festgenommenen befindet sich Josep Maria Jové, den engsten Mitarbeiter des katalanischen Vize-Regierungschefs Oriol Junqueras. Jové war für die Koordinierungsarbeiten bei der Vorbereitung des Referendums und für das Wirtschaftsressort zuständig. Anderthalb Wochen vor der geplanten Volksabstimmung drang die Guardia Civil in insgesamt 41 katalanische Ministerien in Barcelona ein. Spontan mobilisierten sich Tausende Katalanen, um die Polizei vor den Ministerien zu blockieren.

Von den Razzien betroffen waren die wichtigsten Büros der Regionalregierung, die Abteilungen für Wirtschaft und Außenpolitik sowie das Büro von Regierungschef Carles Puigdemont, wie ein Sprecher der Regionalregierung mitteilte. In Madrid wurde das katalanische Regierungsmitglied Rosa Rodriguez verhaftet. »Der spanische Staat hat faktisch die Autonomie suspendiert und den Ausnahmezustand verhängt«, twitterte Puigdemont. Der spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy hingegen sagte, mit den drastischen Maßnahmen erfülle er seine »Pflicht«.

»Zieht eure schmutzigen Hände von den Institutionen in Katalonien weg!«, schimpfte der katalanische Abgeordnete Gabriel Rufián von der linksgerichteten Unabhängigkeitspartei ERC im spanischen Parlament. »Der Wille des katalanischen Volkes kann nicht gebremst werden.« Sowohl die neun ERC-Abgeordneten als auch die acht Abgeordneten von Puigdemonts rechtsgerichteter Unabhängigkeitspartei PDeCAT verließen aus Protest gegen die Razzia das Parlament.

Massenblockaden vor Ministerien und CUP-Zentrale

In mehreren katalanischen Städten strömten viele Menschen zu den Ministerien und versuchten, die Polizei zu blockieren, wie der Spanienexperte Raul Zelik auf Facebook berichtet. Die linke Bürgermeisterin Barcelonas, Ada Colau, habe ebenso wie weitere katalanische Parteien zu Massenprotesten aufgerufen. Studierende blockierten bereits eine zentrale Straße in Barcelona, die »Diagonal«. Vereinzelt wird bereits zum Generalstreik aufgerufen.

Die Polizei hat auch die Zentrale der linksradikalen katalanischen Partei CUP umstellt und versucht, sie zu stürmen. Eine Menschenmenge blockiert die Büros und lässt sie nicht durch. Die CUP hat nach den Razzien eine einseitige Unabhängigkeitserklärung vorgeschlagen.

In Madrid ruft die spanische Linkspartei »Podemos« zu einer Solidaritätskundgebung auf. »Wer denkt, dass Staatsanwaltschaft und Sicherheitskräfte die Antwort auf Menschen sind, die sich mobilisieren, versteht die Demokratie nicht«, twitterte Pablo Iglesias. Auch im Baskenland mobilisieren linke Gruppen und Parteien zu Kundgebungen vor den Rathäusern. So versicherte der Unabhängigkeitsbefürworter Arnaldo Otegi den Katalanen seine Solidarität und bestärkte sie, sich der Repression aus Madrid zu widersetzen.

Spaniens Regierung betrachtet die Volksabstimmung als illegal, das Verfassungsgericht in Madrid erklärte das in Barcelona beschlossene Referendumsgesetz für ungültig. Die Generalstaatsanwaltschaft hat bereits Ermittlungen gegen mehr als 700 katalanische Bürgermeister eingeleitet, die das für den 1. Oktober angesetzte Unabhängigkeitsreferendum unterstützen.

Am Dienstag wurden 45.000 Schreiben mit Anweisungen an die Leiter der Abstimmungslokale für das Referendum beschlagnahmt. Das Finanzministerium in Madrid stellte die Finanzverwaltung in Barcelona unter Aufsicht.

Im Regionalparlament in Barcelona haben die Unabhängigkeitsbefürworter seit 2015 die Mehrheit. Viele größere katalanische Städte sind aber gegen eine Loslösung von Spanien.

In Umfragen liegen die Gegner einer Abspaltung derzeit mit gut 49 zu 41 Prozent vorne. Die Umfragen zeigen aber auch, dass seit Monaten konstant rund 70 Prozent der Einwohner Kataloniens dafür sind, in einer Volksabstimmung über diese Frage zu entscheiden. Agenturen/nd

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.