Die britische Wand
Brian Cookson muss sich vor seiner Wiederwahl als Präsident des Radsportweltverbandes vor allem von den Profis viel Kritik anhören
Das Urteil der besten deutschen Radprofis ist vernichtend. »Beim großen Thema Sicherheit hat sich nullkommagarnichts geändert«, sagte Zeitfahrspezialist Tony Martin am Rande der WM in Bergen sehr deutlich über die erste vierjährige Amtszeit von Brian Cookson. Auch Sprinter Marcel Kittel hat zur Arbeit des Präsidenten des Weltverbandes UCI eine klare Meinung: »Ich glaube nicht, dass die Probleme kleiner, sondern größer geworden sind.« Der Brite Cookson, dem viele auch das Charisma einer starken Führungspersönlichkeit absprechen, muss wohl dennoch keinen Sturz befürchten. An diesem Donnerstag gilt ein Sieg des 66-Jährigen beim UCI-Kongress über seinen 22 Jahre jüngeren französischen Herausforderer David Lappartient als wahrscheinlich.
»Ich bin zuversichtlich, dass ich genug Unterstützung habe und sicher, dass es positiv ausgeht«, betonte Cookson in den vergangenen Monaten immer wieder. Die Zeit für seinen Konkurrenten sei »noch nicht reif«, er spüre im Radsport nicht den Wunsch nach einem Wechsel. Das war vor vier Jahren in Florenz noch anders. Der Radsport ächzte unter den aufgedeckten Betrügereien Lance Armstrongs und litt unter seinem skandalumtosten Oberhaupt Pat McQuaid. Dem Iren und seinem inzwischen verstorbenen Vorgänger Hein Verbruggen war eine klebrige Nähe zu Armstrong nachgesagt worden, dabei ging es auch um schwerwiegende Korruptionsvorwürfe. Es war denkwürdig, was sich damals im Palazzo Vecchio abspielte, wie sich McQuaid an seine Macht klammerte und letztlich doch wie ein geprügelter Hund abtreten musste.
Damals trat Cookson als großer Hoffnungsträger auf, heute wirkt er eher wie der Ritter der traurigen Gestalt. Naturgemäß für einen hohen Funktionär zieht der Brite selbst aber eine positive Bilanz. Er habe die UCI etwa aus einem extrem schlechten Licht herausgeführt und zu einem der »Vorbilder« im Kampf gegen Doping erhoben. Selbst IOC-Chef Thomas Bach sei begeistert von den Fortschritten und wolle sich daran ein Beispiel nehmen, betonte Cookson. »Ich bin sehr stolz auf das, was wir erreicht haben. Wir haben Glaubwürdigkeit und Integrität deutlich verbessert«, sagte er, der Martin und Kittel in dieser Beziehung als »Vorbilder« bezeichnete.
Nur irgendwie fehlt den Profis, die im Sport nun mal das Aushängeschild sind, der Eindruck, dass überdies die richtigen Stellschrauben bewegt werden. Die World Tour als erste Liga des Radsports etwa sei völlig undurchsichtig, bemängelte Martin: »Von Änderungen ist nichts zu sehen, die World Tour ist ein komplettes Chaos. Keiner blickt durch das Wertungssystem«, sagte der 32-Jährige.
Aber nicht nur das, auch beim wichtigen Thema Sicherheit fehlten die Impulse. »Ich habe immer noch das Gefühl, dass wir gegen eine komplette Wand laufen«, sagte Martin, der sich im Vorjahr nach einigen schweren Unfällen auch gemeinsam mit Kittel für Änderungen stark gemacht hatte. Ein UCI-Chef sollte sich dieses Thema »ganz groß auf die Brust schreiben«, findet Martin, der resümiert: »Ich war nicht wirklich begeistert von seiner Amtszeit.« Eine weitere steht wohl dennoch bevor. Erst danach plant Cookson seinen Abgang. SID/nd
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