Madrid lässt Krise mit Barcelona eskalieren
Tausende protestieren gegen Festnahmen / Katalanischer Regierungschef: Rote Linie ist überschritten
Die spanische paramilitärische Polizei hat am Mittwoch Razzien in Ministerien der katalanischen Regionalregierung durchgeführt. Bis Redaktionsschluss wurden in Barcelona 41 Gebäude durchsucht und 14 Personen festgenommen. Darunter sind mehrere leitende Regierungsbeamte. Gesucht wurde auch in vier Ministerien und im Regierungssitz nach Unterlagen für das geplante Unabhängigkeitsreferendum am 1. Oktober, das Madrid verhindern will.
Nach einer Krisensitzung trat der katalanische Regierungschef Carles Puigdemont am Mittag vor die Presse. Spanien habe »faktisch die katalanische Regierung suspendiert«, verurteilte er das »totalitäre und antidemokratische Auftreten«. Er sprach von einer »koordinierten Aggression«, mit der die konservative spanische Regierung die »rote Linie überschritten« habe, die sie »von autoritären Regimes getrennt hatte«. Man werde das Recht der Bevölkerung verteidigen, über ihre Zukunft zu entscheiden und in zehn Tagen abstimmen.
Am frühen Mittwoch rief der Katalanische Nationalkongress (ANC) zum friedlichen Protest auf. Zahllose Menschen versammelten sich vor den betroffenen Gebäuden. Es kam zum Verkehrschaos, da die Hauptadern der Metropole von Tausenden Menschen blockiert waren. Den Protesten schloss sich auch der Fußball-Topclub FC Barcelona an. Nachgedacht wird zudem über einen Generalstreik. Der ANC-Präsident Jordi Sànchez hat zu einem »Marathon« der Proteste aufgerufen.
Nicht nur in Katalonien ist das Entsetzen groß. Ein Versuch der rechten Parteien, Unterstützung für die Repressionen im spanischen Parlament zu bekommen, blieb am späten Dienstag erfolglos. Ein Antrag, der forderte, das Parlament solle sich vorbehaltslos hinter das Vorgehen der Regierung unter Mariano Rajoy stellen, wurde mit den Stimmen der gesamten Opposition abgelehnt.
Weder die Linkspartei Podemos noch die Sozialisten (PSOE) oder die baskischen Christdemokraten wollten der Rajoy-Regierung einen »Freibrief« ausstellen. Für den Podemos-Chef Pablo Iglesias gibt es nun »politische Gefangene«. Er forderte, mit »Dialog und Intelligenz ein politisches Problem« anzugehen. Das fordert auch der Präsident des Europaparlaments, Gianni Pitella, der sich »besorgt« zeigte. Und auch führenden Politikern der PSOE reißt der Geduldsfaden. Die PSOE-Chefin der Balearen, Francina Armengol, sagte, der richtige Weg seien nicht Polizei und Justiz, »sondern Dialog und Politik«.
Ada Colau, Bürgermeisterin Barcelonas, rief zu Mobilisierungen auf. »Wir müssen nun die demokratischen Institutionen verteidigen, ob man Unabhängigkeitsbefürworter ist oder nicht«, so Colau. Sie forderte von der PSOE, einen Misstrauensantrag gegen Rajoy zu stellen, um ihn zu stürzen und so den Raum für Verhandlungen mit Katalonien - und eine Lösung der Krise - zu öffnen.
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