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Wo der Frust zu Hause ist

Die LINKE hat in Marzahn-Hellersdorf gesiegt, doch mancherorts wählte fast jeder Dritte AfD

  • Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 3 Min.

Gleich hinter dem S-Bahnhof Ahrensfelde, dort, wo die Märkische Allee und die Ahrensfelder Chaussee in die Dorfstraße münden, ist Berlin zu Ende. Das kann man am Ortsschild ablesen - Ahrensfelde, Landkreis Barnim. Folgt man der Spur der Wahlplakate entlang der Straßen, glaubt man, an dieser Stelle eine Demarkationslinie zu passieren: Den letzten automatischen Plakatwechsler auf Berliner Seite muss sich die CDU-Kanzlerin und ihr »Erfolgreich für Deutschland«-Versprechen mit Werbung für »Pizza-Zeit« und günstige Telekom-Tarife teilen. Auf Brandenburger Seite hat die NPD gleich alle Laternen mit ihren düsteren Prophezeiungen tapeziert. Beides sagt recht wenig über die Dramatik des Wahlausgangs am jeweiligen Ort aus.

Den Wahlbezirk 85 Marzahn-Hellersdorf hat die LINKE mit 26,1 Prozent geholt. Gut jeder vierte Wähler hat den Sozialisten die Zweitstimme gegeben. Vor allem hat auch Petra Pau, die Direktkandidatin, mit 34,2 Prozent wieder die meisten Wähler überzeugt und damit Staatsministerin Monika Grütters von der CDU (22,3 Prozent) abgehängt. Darauf verweist Björn Tielebein, der Chef der Linksfraktion in der Bezirksverordnetenversammlung. »Es ist uns gelungen, zumindest im Vergleich zur Abgeordnetenhauswahl 2016 wieder mehr Wähler für unsere Politik zu mobilisieren«, sagt Tielebein dem »nd«.

Aber natürlich beunruhigt auch ihn vor allem das starke Abschneiden der AfD im Bezirk und besonders in den Problemgebieten im Nordosten. Mit einem Erststimmenanteil von 21,6 Prozent hat sich die Rechtsaußen-Partei hinter der CDU (20,9) auf Platz zwei geschoben und nicht nur die SPD (14,5) gedemütigt.

Der Fraktionschef will der Wahlanalyse durch die Parteigremien im Bezirk nicht vorgreifen. Am Dienstagabend wollten sie zusammenkommen, um den Ausgang der Bundestagswahl und die sich daraus ergebenden Konsequenzen zu besprechen. »Im Verhältnis zur Abgeordnetenhauswahl hat sich die AfD ja nun nicht wirklich stark verbessert, sie hat an die 1000 Zweitstimmen dazugewonnen«, sagt er. »Dabei ist die AfD in der Bezirksverordnetenversammlung seit fast einem Jahr zweitstärkste Fraktion.« Aber natürlich müsse die Frage beantwortet werden, wie man den Einfluss der Rechtspopulisten wieder zurückdrängt. Das wird nicht einfach werden, denn Tielebein räumt ein: »Es gibt viele Gründe dafür, warum Menschen diese Partei wählen. Und nur einer davon ist sicher, dass im Bezirk viele Menschen heute in prekären Verhältnissen leben.«

Der S- und Regionalbahnhof muss seine besten Tage wohl noch vor sich haben, der bauliche Zustand ist trostlos. Rost, Schmutz, Graffiti sowie beißender Gestank machen die Fußgängerbrücke, die den Bahnsteig mit den Wohngebieten an der Märkischer Allee auf der einen und an der Ahrensfelder Chaussee auf der anderen Seite der Bahntrasse verbindet, zu einer Zumutung. Der Blick hinüber in Richtung Märkische Allee und Havemannstraße verheißt nicht viel Gutes: »Endstation« verspricht schwarz auf weiß ein Schild in Frakturschrift, das auf eine Dartkneipe hinweist.

Ganz anders der Eindruck auf der anderen Seite. Die Wohnanlagen zwischen Geraer Ring, Schwarzwurzelstraße und Ahrensfelder Chaussee präsentieren sich üppig begrünt und recht gepflegt. Das gilt auch für die Schule, Kinderspielplätze und sogar die Grünflächen. Dennoch scheinen hier die Menschen mehr Frust zu hegen als anderswo selbst in anderen Teilen von Marzahn-Hellersdorf. Fast jeder Dritte hat in den Wahllokalen 104, 105 und 106 die AfD gewählt und damit auf Platz ein gesetzt.

Das Wahllokal 104 war in der Ahrensfelder Chaussee 148. Hier betreibt der Marzahner Verein Kiek In e.V. den Kieztreff West. Es gibt preiswertes Essen und Kaffee für bedürftige, meist ältere Leute, manchmal Kultur und stets ein Gefühl von Nachbarschaft, weil da jemand ist, der einem zuhört. Ortsfremden gegenüber wird es still im Raum - zumal beim Thema Wahlen. »Die Chefin ist im Urlaub, keiner da, der was dazu sagen kann«, sagt der Mann in den 50ern, der am Tresen aushilft. Er wohne seit 1984 im Dreh, fühle sich wohl hier. Das gehe anderen wohl anders.

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