Über Wasser gehalten

Freya und Nadja Klier im Stadtbad Oderberger Straße

  • Danuta Schmidt
  • Lesedauer: 3 Min.

«Mein elftes Gebot: »Du sollst dich erinnern«. Damit überschreibt Freya Klier ihre Biografie im Internet. Gestern war im Hotel »Stadtbad Oderberger Straße« ein solcher Erinnerungsabend, als Freya und Nadja Klier ihr gemeinsames Buch »Die Oderberger Straße aus der Reihe «Berliner Orte» des be.bra-Verlags vorstellten. Keiner ging baden, denn das Publikum saß auf einer eingezogenen Zwischendecke direkt über dem mit Wasser gefüllten Pool. Auch die beiden Autorinnen, Mutter und Tochter, haben sich gut über Wasser gehalten: Sie waren sehr präsent und saßen zudem im Trockenen (am Beckenrand).

An der Oderberger Straße in Prenzlauer Berg lässt sich die deutsche Geschichte der vergangenen 150 Jahre ablesen. So ist das Buch auch chronologisch geordnet. 1873 wird die Straße gebaut. Die beiden Autorinnen haben sich das Buch aufgeteilt. «Ich hatte Lust, das Ursprüngliche aufzuschreiben, also die journalistische Geschichtsrecherche zu machen» sagt Nadja Klier, die heute als Fotografin arbeitet.

Den Abend moderierte Knut Elstermann, der bereits für sein Buch «DEFA-Filmkinder» mit Nadja Klier zusammenarbeitete. Sie war die Hauptfigur im DEFA-Kinderfilm «Gritta von Rattenzuhausbeiuns». Zu Hause im echten Leben war sie tatsächlich in der Oderberger Straße 45. Mit ihrer Mutter kam sie aus Senftenberg und lebte ab 1978 in der Straße, die durch die Berliner Mauer zur Sackgasse wurde. Über diese zehn Jahre schreibt jede ihre Geschichte. Nadja aus fantasievollen Kinderaugen: «Durch das teilweise undichte Dach - die Dachpappe hat auch schon bessere Zeiten gesehen - tanzen die Sonnenstrahlen auf dem staubigen Boden.» Freya Klier schaut mit den Augen der Kritikerin: «Der größte Schock bei unserer Ankunft in der Oderberger Straße ist die Mauer.»

Die 300 vorwiegend älteren Gäste des Abends hörten, dass dem Buch ein Film vorausgegangen war: «Wir hatten zahlreiche Interviews geführt und so viel Material zum Film ›Meine Oderberger Straße‹ (rbb 2014). Es ist ein sehr subjektiver und persönlicher Film der Familie Klier. Gefördert wurde er von der »Stiftung Aufarbeitung«. Vom Film zum 140-Seiten-Buch: »Die eigentliche Schwierigkeit bestand in der Beschränkung. Es war ein sehr schmerzhafter Prozess, da wir uns von vielem trennen mussten«, sagt Nadja Klier. Im Publikum sitzt auch eine Protagonistin des Buches, Irmgard Grätz. Sie lebt seit mehr als 60 Jahren in der gleichen Zweizimmer-Wohnung in der Oderberger Straße, hat Nachkriegsjahre, Mauerbau, Künstlerbohemé im Kiez und Mauerfall sowie Gentrifizierung durch Privateigentum, schicke Bars, teure Label miterlebt und überlebt.

Den 45-Minuten-Film gab es nach der Lesung zu sehen. Die ehemalige Bürgerrechtlerin und Theaterregisseurin Freya Klier, deren Leben sehr eng mit dem Bestehen und Verschwinden der DDR verbunden war, produzierte erst kürzlich, 28 Jahre nach Ende der DDR, auch einen anderen Film: »Wenn Mutti früh zur Arbeit geht« über die Gleichberechtigung der Frau in der DDR.

Freya und Nadja Klier: Die Odersberger Straße. be.bra Verlag, 144 S., br., 12 €.

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