Nach der Wahl ist vor der Wahl

In Hessen, wo Schwarz-Grün regiert, wird in gut einem Jahr ein neuer Landtag bestimmt

  • Hans-Gerd Öfinger, Wiesbaden
  • Lesedauer: 3 Min.

Nach der Wahl ist vor der Wahl. Von dieser nicht neuen Erkenntnis getrieben, gönnen sich die parteipolitischen Akteure in Hessen direkt nach der Bundestagswahl keine Atempause. Schließlich wird im Sechs-Millionen-Einwohner-Land zwischen Weser, Rhein und Neckar in gut einem Jahr ein neuer Landtag gewählt.

Auch wenn die Trends im Landesergebnis für einzelne Parteien leicht vom Bundesdurchschnitt abweichen, stehen auch in Hessen CDU und SPD absolut und prozentual als Verlierer da. Während die im Land mitregierenden Grünen faktisch stagnieren, konnten LINKE und AfD deutlich zulegen - ein Hinweis auf eine weitere Polarisierung der politischen Landschaft.

Die hessische AfD, die nun ehemalige ranghohe CDU-Funktionäre wie etwa den Ex-Stadtkämmerer von Frankfurt am Main, Albrecht Glaser, oder den Fuldaer Martin Hohmann in den Bundestag entsendet, macht sich nach ihrem Zweitstimmenergebnis von 11,9 Prozent Hoffnung auf den Einzug in den Wiesbadener Landtag. Damit wäre die Rechtspartei bis Ende 2018 in nahezu allen deutschen Landesparlamenten vertreten, falls ihr demnächst in Niedersachsen und 2018 auch in Bayern der Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde gelingt.

Dass jedoch auch die hessische AfD, die Anfang 2016 in zahlreiche Kommunalparlamente einzog, nicht vor Erosionen geschützt ist, zeigt der am Montag verkündete Parteiaustritt des Wiesbadener Stadtverordneten Wilfried Lüderitz. Er beklagte eine fehlende klare Abgrenzung der Rathausfraktion gegenüber dem Rechtsruck der Bundespartei. Besonders unterdurchschnittlich schnitt die Rechtspartei in der Universitätsstadt Marburg ab, wo sie nur auf 7,1 Prozent der Stimmen kam. Hier errang die LINKE übrigens mit 16,4 Prozent ein neues Rekordergebnis.

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU), der seit Anfang 2014 relativ geräuschlos mit den Grünen regiert, macht seit langem keinen Hehl aus seiner Absicht, die Grünen auch im Bund in eine CDU-geführte Regierung einzubinden. »Jamaika funktioniert nur, wenn die mit Abstand stärkste Kraft das bestimmende Element ist und wenn die anderen Partner wissen, dass sie nicht die Bestimmer sein können«, sagte Bouffier jetzt in einem Interview und löste damit Irritationen bei der hessischen Grünen-Spitze aus.

Den möglichen Eintritt in eine unionsgeführte Bundesregierung hatten die Spitzenkandidaten der hessischen Grünen schon vor Wochen angedeutet. Nur wenn die Grünen in einer Bundesregierung säßen, könnten grüne Minister in Hessen mehr Lärmschutz rund um den Frankfurter Flughafen oder mehr Ökolandbau umsetzen, so die Listenführerin und Bundestagsabgeordnete Daniela Wagner. Ihr Ehemann Jochen Partsch führt als grüner Darmstädter OB dort eine Koalition mit der lokalen CDU an. Dass hessische Grünen-Wähler auch längerfristig eine Kooperation mit Bouffiers CDU tragen könnten, zeigt ein Detail, das lokale Wiesbadener Wahlforscher ermittelten. So hätten Grünen-Wähler in der Landeshauptstadt stärker als früher ihre Erststimme dem CDU-Direktkandidaten gegeben. Dies könnte die darbende Hessen-SPD weiter jeglicher rot-grünen oder rot-rot-grünen Option berauben, die ohnehin derzeit auch in Hessen keine Mehrheit hätte. Denn ein Blick auf die politische Landkarte zeigt, dass die SPD ihre Direktmandate nur im Norden des Landes, also rund um Kassel, halten konnte. Ein SPD-Absturz um 5,3 Prozentpunkte auf nur noch 23,5 Prozent am vergangenen Sonntag ist ein schlechtes Omen für 2018.

Unterdessen sieht sich die LINKE nach ihrem landesweiten 8,1-Prozent-Ergebnis vom Sonntag für 2018 gut aufgestellt. Ihr war im Gegensatz zu anderen Landesverbänden in großen westlichen Flächenländern seit 2008 dreimal in Folge der Einzug in ins Landesparlament mit Werten von knapp über fünf Prozent gelungen. Jetzt macht sie sich Hoffnung auf ein deutlich besseres Abschneiden.

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