- Berlin
- Tegel Volksentscheid
Tegel-Votum: Müller will Schlichter berufen
Ein Runder Tisch soll Fragen zu einer möglichen Flughafen-Offenhaltung klären
»Die von mir angeführte Koalition ist weiterhin der Meinung, dass eine Offenhaltung Tegels rechtlich schwierig bis unmöglich ist«, macht der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) am Donnerstag während der Aktuellen Stunde im Abgeordneten haus noch einmal deutlich. Um die Wogen zu Glätten, soll es einen Runden Tisch geben, der alle Fragen um einen TXL-Weiterbetrieb über die BER-Öffnung hinaus behandeln soll. Leiten soll dieses Gremium »eine anerkannte und neutrale Persönlichkeit«, kündigt Müller an.
Das Gremium unter Führung der noch zu findenden Person werde nach dem Vorbild des Schlichtungsverfahrens beim umstrittenen Bahnprojekt Stuttgart 21 unabhängig, transparent und ergebnisoffen arbeiten können und mit den notwendigen Mitteln ausgestattet. Der Runde Tisch solle Senat und Parlament Bericht erstatten, »ob und wie eine Offenhaltung des Flughafens Tegel rechtssicher möglich ist und welche Schritte als nächstes einzuleiten sind.«
FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja blickt nach Müllers Worten eher missmutig. Immerhin könnte dieser Schachzug für den Senat ein Befreiungsschlag in der Situation sein, in der eine einige Opposition aus CDU, AfD und FDP das Votum vom Sonntag zu einer Entscheidung über Rot-Rot-Grün hochstilisiert.
Der Volksentscheid – 56,1 Prozent der Teilnehmer sprachen sich für die Offenhaltung des Nostalgieairports aus – sei »eine Quittung für die verfehlte Politik der letzten zehn Monate«, sagt CDU-Fraktionschef Florian Graf. Der Versuch, die Angelegenheit auszusitzen zeuge von »einem gewissen Maß an Realitätsverlust«. Ein »Regierungschef auf Abruf« sei Müller. Die Politik des rot-rot-grünen Senats sei »nicht am Gemeinwohl orientiert, sondern nur Klientelpolitik«, behauptet der Christdemokrat. Zusammen mit »Parteifreund Heinz Buschkowsky« trommelten mit dem Volksbegehren für mehr Videoüberwachung die nächsten Bürger für eine weitere Niederlage. Der ehemalige Neuköllner SPD-Bezirksbürgermeister ist einer der prominenten Unterstützer der Initiative.
»Sie provozieren eine Stärkung der Feinde der Demokratie«, zu dieser Behauptung versteigt sich Sebastian Czaja, Vorsitzender der FDP-Fraktion. Die Rechtslage habe sich nicht geändert, aber der politische Auftrag sei nun ein anderer, so der Liberale.
»Fast eine Million Berliner stehen eindeutig an der Seite der AfD«, behauptet Georg Pazderski, Fraktionsführer der Rechtspopulisten im Abgeordnetenhaus. Eine »verzweifelte Mobilisierung des Volkssturms der Argumente« nennt Pazderski die Bemühungen des Senats, von Parteien, Initiativen und Verbänden, für eine Schließung Tegels zu werben.
»Sie haben einen Vergleich zwischen einem Volksentscheid und dem Volkssturm gelegt. Das zeigt, wes Geistes Kind Sie sind«, entgegnet Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek.
Bekanntlich war der Volkssturm 1944 der wahnwitzige Versuch der Nazis, mit der Rekrutierung der männlichen Bevölkerung zwischen 16 und 60 Jahren die Niederlage des Dritten Reichs im Zweiten Weltkrieg abzuwenden. Die ganze Debatte um eine Offenhaltung Tegels sei »eine Phantomdiskussion, weil Sie, Herr Czaja, zu feige waren, einen Gesetzentwurf vorzulegen«. Die Berliner haben über eine reine Willensbekundung abgestimmt, ohne rechtliche Bindung. Der von CDU und FDP vorgelegte Antrag zur Umsetzung des Volksentscheids ist nach Kapeks Worten eine »Wunschliste« statt praktischer Vorschläge.
Im Gegensatz zum Rest der Bundesrepublik habe es in der Hauptstadt keinen Rechtsruck gegeben, betont Udo Wolf, Vorsitzender der Linksfraktion. 49,3 Prozent der Berliner hätten bei der Bundestagswahl für R2G gestimmt. Trotz des Wahlkampfthemas Tegel habe es »massive Verluste für die CDU« gegeben und auch das Ergebnis der FDP sei »deutlich unter dem Bundesschnitt« geblieben.
Insofern sei die Argumentation »doof«, dass hier eine Abstimmung über Rot-Rot-Grün stattgefunden habe. Er sei sehr stolz darauf, was das Bündnis der Tegel-Gegner in kurzer Zeit erreicht habe. »Hätten wir schon früher und vehementer die Argumente in die Waagschale geworfen – wer weiß, wie es ausgegangen wäre«, übt Wolf Manöverkritik.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.