Neues Bahnchaos für Sylt-Pendler

Viele Beschäftigte des Gast- und Dienstleistungsbereichs auf der Nordseeinsel betroffen - Gewerkschaft fordert Politik zum Eingreifen auf

  • Dieter Hanisch
  • Lesedauer: 3 Min.

Bei den Nutzern der sogenannten Marschbahn von Hamburg über Elmshorn und durch Nordfriesland nach Westerland/Sylt beziehungsweise umgekehrt liegen die Nerven blank. Technische Pannen sorgen reihenweise für Zugausfälle - und die dann doch fahrenden Züge sind total überfüllt.

Fahrplan-Probleme sind gerade die Pendler auf dieser Strecke bereits seit einem Jahr gewohnt, doch die aktuellen Pannen bringen für viele das Fass zum Überlaufen. Nun hat sich sogar der DGB Nord eingeschaltet, schließlich sind die Beschäftigten im Sylter Gast- und Dienstleistungsbereich, die auf die Züge täglich angewiesen sind, besonders betroffen. Die Gewerkschaft fordert von Bundesregierung, Schleswig-Holsteins Landesregierung und von der Bahn eine nachhaltige Abhilfe. Die Politik könne nicht mehr Mobilität auf dem Berufsmarkt und eine Offensive im Öffentlichen Personennahverkehr fordern, dann aber mehreren Tausend Pendlern derartige Missstände wie bei der Marschbahn zumuten. Im vergangenen Jahr waren dort quasi über Nacht 90 Waggons wegen Kupplungsproblemen aus dem Verkehr genommen worden - aus Sicherheitsgründen zwecks Ursachensuche und Reparatur. Ersatz dafür konnte nur mühsam beschafft werden und ließ an Qualität, Hygiene und Barrierefreiheit sehr zu wünschen übrig. Nun sind es Bombardier-Lokomotiven der Baureihe 245, die sich als nicht fahrtauglich erweisen. Dabei wurden diese doch erst im Januar 2015 in den Dienst gestellt.

Erst die Waggons, jetzt die Loks. Das seit knapp einem Jahr geltende Ersatzkonzept bedeutet für die Nutzer ein Glücksspiel: Kommt der vorgesehene Zug oder nicht - und können überhaupt alle auf dem Bahnsteig wartenden Reisenden mitgenommen werden? Zum Teil quetschen sich die Pendler wie Ölsardinen in den Waggons. Am Dienstag dieser Woche waren insgesamt 14 Verbindungen von und nach Westerland auf Sylt gestrichen worden, einen Tag später sogar 16. Am Donnertagvormittag wurden schon wieder fünf Züge gecancelt. Bahnsprecher Egbert Meyer-Lovis muss sich einmal mehr bei den »Marschbahn«-Pendlern entschuldigen und sie damit vertrösten, dass fieberhaft an Lösungen gearbeitet werde. Seinen Angaben zufolge stehen derzeit lediglich acht von eigentlich 15 Loks zur Verfügung. Zudem seien unplanmäßig auch Waggons ausgefallen. Man bemühe sich um Ersatz in Baden-Württemberg, doch manchmal könne man ersatzweise auch nur einen kleinen Triebwagen aufs Gleis stellen. Auch in den nächsten Tagen müsse seinen Worten zufolge noch mit Ausfällen gerechnet werden. Meyer-Lovis räumte in einem Radiointerview zudem technische Schwierigkeiten im Bahn-Ausbesserungswerk Hamburg ein, weshalb nun Reparaturaufträge in diesem konkreten Fall nach Hannover vergeben würden. Doch es geht nicht nur ums Krisenmanagement, sondern auch um Regresspflichten und -zahlungen. Im Sommer führte eine der ersten Dienstreisen von Schleswig-Holsteins neuem Wirtschaftsminister Bernd Buchholz (FDP) auf die Insel Sylt, er wollte sich erklärtermaßen persönlich um die Probleme kümmern. Die neuen Ausfälle bringen auch ihn in Erklärungsnot.

Ein Pendler aus Langenhorn (Kreis Nordfriesland) erzählte dieser Tage vor laufender TV-Kamera, dass er derzeit drei Stunden früher als üblich seine Wohnung verlasse, um sicher sein zu können, pünktlich um 9 Uhr bei seinem Arbeitgeber auf der Nordseeinsel zu erscheinen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.